125 Turnverein Sindlingen

Wir feiern in diesen Tagen das 125 jährige Jubiläum des Sindlinger Turnvereins. Am 18. Juli 1875 gründeten 14 Sindlinger Einwohner im ehemaligen Gasthaus „Zum Adler“ diesen Verein und sie gaben ihm den Namen „Turnverein“. Was uns heute so locker über die Lippen geht und so geläufig ist, ist  doch schon eine eminent  programmatische Weichenstellug, denn die Gründungsväter stellten sich damit in die Tradition der „Turnbewegung“, was gleichbedeutend mit einer Absage an den „Sport“ ist. Wenn wir heute diese Begriffe fast deckungsgleich gebrauchen, so unterschied das 19. Jahrhundert doch scharf zwischen beiden Formen der Leibesübungen. Das Turnen des 19. Jahrhunderts war nun eng mit einer Person verbunden, die es schuf und inhaltlich ausgestaltete, nämlich Friedrich Ludwig Jahn.. Wer war nun dieser Jahn?
 

Der „Turnvater“ Jahn

Bild „Jahn“

Friedrich Luwig Jahn wurde am 11.8.1778 in Lanz in Brandenburg geboren. Nach dem Willen des Vaters sollte auch er Pfarrer werden, aber das Gymnasium in Salzwedel musste er schon nach drei Jahren verlassen. Auch am Berliner Gymnasium zum Grauen Kloster hielt es ihn nicht lange; er täuschte einen Selbstmord vor und entschwand. An der Universität Halle nahm er dann doch das Studium der Theologie auf, interessierte sich aber stärker für das Leben in den Studentenverbindungen; er interessierte sich mittlerweile auch eher für die Geschichte und die deutsche Sprache, wobei er aber nie zu einem akademischen Abschluss kam, weder in Halle noch in neun anderen Unis, die er – bisweilen nur weinige Monate besuchte. In Mecklenburg gelang es ihm 1803 als Hauslehrer unterzukommen. Hier schrieb er an einer sprachwissenschaftlichen Arbeit, die sein wachsendes nationalpolitisches Engagement verriet. Hier begann auch seine „Jugendarbeit“: jeden Abend zog er mit 20/30 Jungen ins Freie, um mit ihnen Laufen und Springen, Klettern, Ringen und Schwimmen zu üben oder wilde Räuber- und Kriegsspiele zu inszenieren.
1806 wurde er in Jena Zeuge der militärischen Niederlage Preußens gegen die Franzosen, ehe er 1809 nach Berlin kam, um die Stelle eines Oberlehrers zu erhalten. Das Prüfungsergebnis fiel aber so miserabel aus, dass das Ministerium seine Zusage wieder zurückzog.
Nach der Niederlage preußischer Truppen gegen Napoleon erwuchs auf verschiedenen Bereichen die Ursachenforschung. Als 1806 der letzte Kaiser sein Amt niederlegte, war damit auch nach außen deutlich geworden, dass die Prinzipien der Frz. Revolution, so wie sie Napoleon verkörperte, erfolgreich waren. Die „Nation“ wurde die Schlüsselkategorie. Auf breiter Ebene begann die Forschung: Was ist das „spezifisch Deutsche“?
Aus den vielfältigen Antworten mögen hier ein paar Hinweise genügen:
a) Brüder Grimm sammeln die deutschen Märchen und Sagen
b) Wörterbuch der deutschen Sprache

Im Jahre 1810 reihte sich Jahn durch die Veröffentlichung des Buches „Deutsches Volksthum“ in die Reihe patriotisch-deutsch gesinnter Intellektuelle ein, die Namen wie Ernst Moritz Arndt, Johann Gottlob Fichte und Friedrich Schleiermacher umfasste, die für die folgenden Jahre die Ausbreitung eines Nationalgeistes in besonderem Maße förderten. Diese stimmten überein:
- So wie die Natur die mannigfaltigsten Lebensformen zulasse, so seien auch die Menschen als Völker bzw. Nationen mit jeweils unverwechselbaren Eigenarten ausgestattet!
- Das deutsche Volk sahen sie vor anderen Völkern – besonders dem französischen Volk – dadurch ausgezeichnet, dass es sich einen unverstellten Zugang zu seinen ursprünglichen Naturkräften bewahrt habe. Dadurch könne es als „Stammvolk“ oder gar „Urvolk“ charakterisiert werden: Es war nun die Aufgabe der Patrioten, der deutschen Nation zu zeigen, was sie durch Natur geworden sei. Vor allem durch die Sprache und die Kulturgeschichte hätte sich nach Meinung dieser Wortführer die deutsche Nation die Verbindung zu ihren natürlichen Lebenskräften erhalten.
- Gesucht wurde nun nach herausragenden deutschen Nationaleigentümlichkeiten, die als positive Wesensmerkmale der Deutschen in Abgrenzung zu anderen Nationen herausgestellt wurden; dadurch entstand ein spannungsgeladenes Nabeneinander der Nationen
- Antifranzösiche Grundstimmung, wohl aus der aktuellen politischen Situation heraus. Nicht allein Napoleon sah man als Unterjocher Deutschlands, die französische Nation insgesamt erhob man in die Rolle eines Widersachers des deutschen Volkes. Den Franzosen wurden Wesenseigentümlichkeiten zugeschrieben, die sich diametral von den natürlichen Anlagen der Deutschen unterschieden.
- Die Volkserziehung sei für eine organische Umwandlung von zentraler Bedeutung; hierzu als ein Instrument: Volksfeste

In Berlin fand Jahn aber jetzt die Szene, in der er seinen alternativen und unsteten Lebensstil produktiv umsetzen konnte. Es bildeten sich geheime und halblegale Zirkel, die für die nationale Volkserhebung arbeiteten. Jahn wurde Mitglied des „Deutschen Bundes“, der auf die Aktivierung breiter Volksschichten für die nationale Befreiung abzielte.
Die meisten Darstellungen zeigen Friedrich Ludwig Jahn als kahlköpfigen Turnvater, mit langem Bart. Damit erinnert er eher an einen „Turnopa“, weise und abgeklärt. Tatsächlich war Jahn 33 Jahre alt und eher ein „Revoluzzer“, als er am 18.6.1811 (damals Hilfslehrer an einem Berliner Gymnasium) mit einigen Jugendlichen auf die Hasenheide bei Berlin zog und dort das begründete, was unter dem Begriff „Turnen“ in die Geschichte eingegangen ist.

Bild „Hasenheide“

Die Hasenheide war damals ein weitläufiges Gelände außerhalb der Stadt. Mit Gesang zogen die meist jungen Teilnehmer jeweils an Mittwoch- und Samstagnachmittagen zum Übungsgelände. .
Der Zweck des Jahnschen Turnens war erstens
die Pflege und Übung des Körpers in einer besonderen, nationalen und volkstümlichen Form. Er ging davon aus, dass das Turnen Ausdruck des „Deutschen Volkstums“ sei, also des „Wesens des Volks der Deutschen“. „Natürlichkeit“ und „Ursprünglichkeit“ wurden zu den Erkennungsmerkmalen der nationalen Turnbewegung. Das vertrauliche „DU“ in der Anrede, die „Turntracht“ (Jacke und Beinkleider aus grauer ungebleichter Leinwand), Mäßigung in Ess- und Trinkgewohnheiten (in Pausen nur trockenes Brot und Wasser). Da die Natur ja nach Meinung Jahns die Gebärerin der Nation war und diese, wollte sie lebendig bleiben, stets von natürlichen Kräften durchdrungen sein müsse, glaubte Jahn, dass praktizierte Natürlichkeit wesentlich zur Begründung eines wahrhaftigen und dauerhaften Nationalgefühls und-Verständnisses bei den sich anschließenden Schülern und jungen Männern beitrug.
Turnen war aber auch sogleich
ein Mittel zur Erziehung des Volkes, aller Menschen, die durch gemeinsame Sprache und Kultur miteinander verbunden seien.
 

TURNEN - WAS WAR DAS?

Gerade am Anfang betonte Jahn das Spiel. „Laufen und Raufen, Suchen und Verstecken, Fliehen und Verfolgen“, das war der Inhalt der Bewegungsspiele, mit denen Jahn offenbar anfing.
 „Räuber und Bürger“ war dabei sehr beliebt.
In der Schonung am Turnplatze sind einige geräumige Stellen. Diese wurden abgeteilt und verteilt zu Burgfesten und offenen Städten. In den Burgen hausen die Räuber, in den Städten wohnen die friedlichen Bürger. Bedrückt und gepresst von den Räubern ermannen sich endlich zur Notwehr die Bürger. Die offene Fehde bricht aus. Dann schickt nun jeder Theil seine Scharen aus zu Überfall, Angriff und Fang. Die Gefangenen werden nach den Burgen oder nach den Städten gebracht und dort bewacht. Das Spiekl endet, wenn auf der einen Seite die Zahl der Gefangenen so großgeworden, dass der Überrest nicht mehr sich halten kann, oder wenn die zum Spiel gegebene Zeit vorüber ist. (Bornemann, 1814).
Es war zweifellos ein wildes Spiel, mit dem Kernstück: Ringkampf zwischen den Gruppen. Kunstgerechte Ringkämpfe waren dabei wohl die Ausnahme: Die Anführer sollen darauf achten, dass das Spiel nicht in ein bloßes Balgen ausartet, doch sehr erfolgreich waren diese Anweisungen wohl nicht. D.H. Jahn turnte nicht gegen Frankreich, er spielte gegen Frankreich.

Dann entwickelte sich schnell das planmäßige Üben, bei dem der Lauf eine gebührende Rolle einnahm. Ein gemeinsamer Dauerlauf leitete die Massenübungen ein; dann wurde einzeln frei geübt, und zwar das Laufen in vielerlei Formen, zunächst auf der Stelle und dann schnurrecht über die 200 Fuß, also ca. 60 m lange Bahn, einfache, doppelte Strecke und auf die Dauer, dann schlängelnd, im Zick-Zack, im „Kiebitz – Lauf“, rückwärts, und stürmend den Berg hoch. Dabei war auch die Armhaltung vorgeschrieben: Oberarm nahe am Leibe – Ellenbogen hintenaus, nur die Unterarme dürfen sich bewegen.
Für diese Sprungübungen stand ein keilförmiger Graben zur Verfügung, der mit oder ohne Stange übersprungen werden musste. Je nach den Fertigkeiten der Übenden konnte so eine größere oder geringere Sprungweite gewählt werden. Hochspringen wurde an einem von Jahn "Springel" getauften Gerät geübt. ein mit eisernen Spitzen zum Einstoßen in den Sand  gebauter Sprungständer (Springel), dazu ein Seil mit Sandsäckchen. Voltigierböcke dienten dem Voltigieren, einer Übung, die seit dem Mittelalter zur Ausbildung von Rittern und Reitern gehörte und auch noch zu Jahns Zeit als wichtige Übung für Soldaten galt. Vorübungen zum Voltigieren, Jahn erfand dafür den deutschen Begriff Schwingen, sollten auf speziellen Gerüsten, auch Barren genannt, erfolgen. Weitere Geräte waren Reck und ein 11 m langer Schwebebaum mit schwingenden Enden. Im Jahnschen Turnen spielte das Balancieren wegen seiner militärischen Bedeutung eine wichtige Rolle. Am auffälligsten waren auf der Hasenheide die hohen Kletterbäume und -gerüste mit Leitern, Stangen und 9 m langen Tauen, die Wagemutige zu halsbrecherischen Klettereien verführten.
Recht nachdrücklich wurden auch Kraft-Übungen betrieben: Gewicht- und Sandsackheben, das Stabziehen, Tauziehen, Nackenziehen, das Tragen von Gewichten und Menschen, Stein- und Kugelstoßen ( 6 – 24 Pfund).
Die Gerätübungen standen ebenso wie die volkstümlichen Übungen und die Spiele im Dienst der Charakterbildung und der Wehrerziehung, die, nachdem sich die preußischen Söldner den französischen Bürgerheeren als unterlegen erwiesen hatten, auch von den Behörden, wenn auch aus Angst der "Volksbewaffnung" nur halbherzig, unterstützt wurde. So betonten die Turner immer wieder die Bedeutung verschiedener Übungen für die Wehrerziehung, Bornemann bezeichnete z.B. die Beherrschung des Schwimmens als unverzichtbar für ein Heer, da schwimmkundige Soldaten stets eine "unsichtbare Brücke" mitführen.  Typisch für das Jahnsche Turnen war die Betonung der militärischen/staatspolitischen Brauchbarkeit. Was nützte es auch dem Soldaten, wenn er als erster auf dem Schlachtfeld ankommt, aber zu erschöpft ist, um zu kämpfen. Soldatischen Drill lehnte John allerdings grundsätzlich ab. Turnen sollte die „verloren gegangene Gleichmäßigkeit der menschlichen Bildung wieder herstellen, der bloß einseitigen Vergeistigung die wahre Leibhaftigkeit zuordnen, der Überfeinerung in der wieder gewonnenen Männlichkeit das notwenige Gegengewicht geben, und im jugendlichen Zusammenleben den ganzen Menschen umgfassen.“

Das Berliner Journale berichtete 1812: „Während andere viel über die Militärausbildung räsonnieren,

schreiben, schreien und plappern, hat hier ein Schulmann ganz in der Stille praktisch gezeigt, wie man die

Jugend für den Krieg geschickt macht. Dies geschieht nicht, wie es in den Kadettenhäusern noch

eingeführt ist, lediglich durch Exerzieren mit dem Gewehr und mit dem harmonischen Marschieren: Richt

euch! Rechtsum, Front! Präsentierts Gewehr; `s Gewehr bei Fuß – sondern dadurch, dass man die Kraft der

Muskeln durch übung vermehr und Beweglichkeit oder Geschwindigkeit hinein bringt. Durch das

bisherige gleichförmige Treten, Brustherausstrecken, Unterleibeinziehen, wurden die Muskeln steift

gemacht.  Wenn die Jugend erst im Klettern, Springen, Lastentragen, Gleichgewichthalten, im Ringen,

Laufen, oder im kleinen Kriege geübt ist, so wird sie auch leicht schießen und treffen, marschieren,

schwenken, Linie halten lernen“.

Um den Nationalsinn unter den Berlinern Turnern zu entfachen und ihn wachzuhalten, hielt Jahn vor den Turnern kurze nationale Ansprachen oder er las aus patriotischen Werken vor. Zu diesem Zweck kamen die Mitglieder während der Turnpausen auf dem „Tie“ zusammen, einer separaten Versammlungs- und Kommunikationsstätte inmitten des Hasenheide-Turnplatzes. Auch individuelle Gespräche mit den „Elite-Turnern“ führte Jahn, um sie nationalideologisch zu schulen.
Weiteres Merkmal waren die patriotischen Lieder. Nicht nur bei Turnfahrten, auch im Alltag kam dem patriotischen Lied eine besondere Bedeutung zu. Die Turnbewegung war die erste organisierte Bewegung in Deutschland, die über den patriotischen Gesang die ihr innewohnende nationale Gesinnung zum Ausdruck brachte, eine Richtung, die später die Männergesangvereine übernahmen. Jahn hatte schon 1813 den propagandistischen Wert dieser Lieder im Rahmen eines öffentlichen, national-deutschen Stimmungen erzeugenden Aktionismus erkannt und Lieder nationalen Inhalts auf verschiedene Weise für die nationale Agitation nutzbar gemacht. Jahn ließ unter dem Titel „Deutsche Wehrlieder für das königlich-preußische Frei-Corps“ 12 von verschidenen Autoren verfasste patriotische Liedtexte mit den dazu gehörenden Melodien verbreiten. An der Spitze stand:
„Was ist des Deutschen Vaterland?“ (Arndt)

Bild: Text (Arndt)

Darüber erweckte Jahn auch bei den Turnern Begeisterung, ohne dass es zu eigenständigen Sängerabteilungen kam. In den Liedern wurde häufig nationales Geschichtsbewusstsein vermittelt. Der historisch-legendären Gestalt, dem Germanenfürsten Hermann wurde dabei eine absolute Vorrangstellung zuteil. Dazu kamen Heinrich I.,der Reichsgründer, Otto der Große, Rudolf von Habsburg, Kaiser Maximilian, Luther, Tell, Schiller und Andreas Hofer, die als Garanten deutscher Leistungsfähigkeit herausgestellt wurden: deutscher Sinn, deutsche Art, deutscher Fleiß und deutsche Treue als zentrale Kriterien, die auch bei Dürer und Hans Sachs gepriesen wurden.
 

Schließlich sollten auch die Turnfahrten, die ein integrierter Bestandteil des Turnkonzepts waren, dazu genutzt werden, das Vaterland kennen zu lernen und Vaterlandsliebe zu wecken.
Das Ziel Jahns war also die Kräftigung des Volkes und der Nation, um die Franzosen auch militärisch aus eigener Kraft und ohne die Armeen der Könige und Fürsten besiegen zu können.
Träger dieser frühen Nationalbewegung waren hauptsächlich Studenten. Sie machten das Jahnsche Turnen zunächst an den Universitäten, den Zentren der frühen Turn- und Nationalbewegung in Deutschland bekannt. In ganz Deutschland bestanden 1818 rund 150 Turngesellschaften mit ca. 12000 Mitgliedern, davon zwei Drittel in Preußen. Das Turnen orientierte sich fast ausschließlich am Modell Hasenheide; oft wurde es von Lehrern geleitet und war mit einer Schule verbunden.

Aus den Turnern formierte sich aus zunächst neun erwachsenen Turnern ein beratendes Gremium, das Jahn in seiner Funktion als Leiter der Turngesellschaft erheblich entlastete. Es legte sich die Bezeichnung „Turnrath“ zu und erörterte allwöchentlich zur festgesetzten Zeit nicht nur Turnkunst-Fragen, sondern auch, wie der deutsch-patriotische Gesang unter den Turnern zu verbreiten sei. Er stellte außerdem die "Turngesetze“ auf und wählte die „Vorturner“.
Zu den „Gesetzen“ zählte die „nationale Dienstverpflichtung“: Man dürfe nie verhehlen, dass es des „Deutschen Knaben und Deutschen Jünglings höchste und heiligste Pflicht sei, ein „Deutscher Mann zu werden, um für Volk und Vaterland kräftig zu wirken.“. Außerdem: Wer wider die Deutsche Sache und Sprache freventlich oder verächtlich handele, mit Worten oder werken, heimlich wie öffentlich, der müsse ermahnt, verwarnt und gegebenenfalls vor jedermann vom Turnplatz verwiesen werden. Keiner dürfe zur Turngemeinschaft kommen, der wissentlich Verkehrer der Deutschen Volkstümlichkeit ist und Ausländerei liebt, lobt, treibt und beschönigt.“

Folglich kämpften Turner in den „Befreiungskriegen“ gegen Napoleon mit, Jahn selbst war Kommandeur im Lützower Freicorps, wo man seine Vorgesetzten selbst wählte. Aber er erwies sich als ungeeignet für die hier geforderte Disziplin. Darum schied er wieder aus und reiste als Agitator für die Volkserhebung durch Deutschland.
Nach dem Krieg fand Jahn die Anerkennung, die er lange vermisst hatte. er erhielt ein dauerndes Jahresgehalt, den Ehrendoktor zweier Universitäten, konnte nun endlich heiraten und hatte die Möglichkeit, das Turnen weiter auszubauen. So erschien 1816 sein Buch „Deutsche Turnkunst“.
Er begeisterte seine Gefolgsleute aber nicht nur für das Turnen, sondern auch für seine pädagogischen und politischen Zielsetzungen: für die Volkserziehung, Freiheit der Rede, die politische Mitbestimmung des Volkes in einer Verfassung und Einheit des Vaterlandes.
Auch die Verengung des Turnens auf das Geräteturnen war nicht Jahns Idee. In seinem Buch „Turnkunst“ zeigte er die Vielfalt der damals bekannten Leibesübungen mit Laufen, Werfen, Springen, Ringen, Fechten, Schwimmen usw. Erst die „Turnsperre“ (1819-1842) führte zur Verengung auf das heimlich betriebene Geräteturnen. Das kann man aber nicht Jahn anlasten.
Während GuthsMuths ausführliche medizinische Begründungen für die Gymnasitk vorlegte, findet man bei Jahn außer den Kleidervorschriften davon nichts., was das Turnen in hygienischer oder medizinischer Sicht begründet. Dieses Weglassen brachte auch die Turnkritiker auf den Plan. Der Berliner Professor Wadzeck deutete das Turnen  als gesundheitsschädliches Unternehmen. Als besondere Schädigungen glaubte Wadzeck 1817 erkannt zu haben: Verbildungen in Adern und Herzen, Gehirn- und Rückenmarkserschütterungen, Geistesschwäche, heftige Muskulaturanstrengungen usw. Allerdings wehrte eine der preußische Medizinalrat von Koenen in einem ebenfalls 1817 vorgelegten Bericht alle Befürchtungen ab.

Obwohl in den Quellen und in der Sekundärliteratur immer wieder betont wird, dass der Turnplatz allen zugänglich war und "als Tummelplatz für die gesamte Bevölkerung und als Sammelpunkt des ganzen öffentlichen Lebens gedacht" war, wurde unter der "gesamten Bevölkerung" nur die eine, die männliche Hälfte der Menschheit verstanden. Im "Standardwerk" der Turner, der "Deutschen Turnkunst", werden Mädchen und Frauen nicht ein einziges Mal erwähnt. In seinem Buch über das deutsche Volkstum meinte Jahn im Zusammenhang mit seinen Vorschlägen zur Mädchenerziehung,die ganz den geschlechtsspezifischen Normen der Zeit entsprachen, dass auch das "schwache Geschlecht" mäßige und weibliche Leibesübungen betreiben solle. Er empfahl besonders das Eislaufen, das Fechten lehnte er dagegen ab, da es den milden Blick "verstiere". Seine Empfehlungen wurden allerdings nicht in die Praxis umgesetzt. Erst als in der Zeit der Turnsperre der gesundheitliche Wert der Leibesübungen einen neuen Stellenwert erhielt, wurden die ersten Turnkurse für Mädchen, deren Gesundheit besonderer Pflege zu bedürfen schien, angeboten.

Ab 1814 gelten die Turnfeste auch als Nationalfeste, auf denen die emotional-sittlichen Bedürfnisse zu ihrem Recht kommen sollen, mit patriotischen Liedern und Ansprachen). Jahn schlug vor, jedes Jahr deutsche Nationalfeste am „Tag der Hermannsschlacht“, am „Tag der Schlacht bei Merseburg“ (933 zw. Heinrich I. und den Ungarn) und am „Tag des Religionsfriedens“ (25.9.1555) zu veranstalten. Zur Ausgestaltung riet er: Am Vorabend sollten auf Anhöhen, Hügeln und Bergen“ Feuer angezündet werden „gleich dem Oster- und Johannisfeuern“. Am Festtag selbst könne man Gemeindehäuser, Tore und Türme schmücken und mit Fahnen versehen. Die Festteilnehmer sollten sich zum Anhören der Predigt versammeln, denn vermittels der Nationalfeste müsse es endlich auch wieder gelingen, Staat und Kirche zum Besten des Volks in gemeinschaftliche Wechselwirkung zu setzen. Die Jugend solle sich in Wettspielen und die Landwehr im Gebrauch der Waffen üben. Aber auch Tanz und Schauspiel gehörten zum Nationalfest. Insgesamt dachte Jahn an eine dreitägige Feier.
Bei einem Treffen national-deutscher Patrioten aus Hessen in Rödelheim – unter Teilnahme Jahns – propagierte man eine erste nationale Feier für den 18. Oktober 1814, dem Jahrestag der Leipziger Schlacht. Und tatsächlich setzten sich auch Publizisten für diesen Plan ein, so dass in einer großen Zahl von Gemeinden am 18. und 19. 10. Feierlichkeiten abgehalten wurden. Die Feiern wurden z.T. sogar von kommunalen Behörden arrangiert und unterstützt.
Auch die Berliner Turngesellschaft veranstaltete eine Gedenkfeier. Sie begann am Abend des 18. Oktober: Aif der Spitze des 65 Fuß hohen Kletterturms leuchtete ein Signalfeuer; auf der Erde wurden ebenfalls Feuer entzündet, bei dessen auflodernder Glut die Turner patriotische Lieder anstimmten. Am folgenden Tag hielten die Turner ein Schauturnen ab, das gleichzeitig den Abschluss des Sommerturnens auf der Hasenheide bildete. 10 000 Zuschauer sollen übrigens dem Spektakel beigewohnt haben. Patriotische Gesänge, ja auch religiöse Lieder kamen dazu. Fackelzug, das Anbringen von Eichenlaubschmuck an den Turngeräten und das Umwinden der Köpfe der Turner mit Eichenlaub waren weitere Gestaltungsmerkmale.
Diese Festlichkeiten zeugen von der starken patriotisch-deutschen Begeisterung, die in den Jahren 1813/14 große Teile der deutschen Bevölkerung ergriffen hatten. Dieser Enthusiasmus war gepaart mit der Freude darüber, die französischen Heere endgültig besiegt zu haben. Allerdings zeigte sich bereits ein Jahr später, dass nach Beseitigung dieser Bedrückung die breite Begeisterung nachließen. Ohne die Turner hätte es wahrscheinlich 1816 und 1817 keine Feiern mehr gegeben. Die Turner hatten aber die Organisation dieser Feste zu ihrer Sache gemacht. Bis zu ihrem Verbot 1819/20 war die Turnbewegung fast alleiniger Veranstalter dieser öffentlichen, sich durch ein differenziertes Ritual auszeichnenden Feste. Ja, ohne eine nationale Bewegung, der in vielen deutschen Gemeinden organisierte Gruppen angehörten und deren Mitglieder sich in der Regel durch einen deutschen Patriotismus auszeichneten, der nicht allein durch Gefühlsaufwallung, sondern konstante, von starken Emotionen begleitete Gesinnung war, wäre ein alljährliches Feiern der Feste unmöglich gewesen. Die Turner haben zwischen 1814 und 1819 dieses nationale Ritual ausgebildet.
Gefährlicher als die vorhin erwähnten medizinischen Einwände waren dagegen die politischen Angriffe gegen das Turnen und die Burschenschaften, die nach dem Wartburgfest 1817 einsetzten. Dort wurde „die deutsche Eiche“ Ersatz für den ehemaligen Freiheitsbaum der Frz. Revolution; die Trikolore zur Nationalfahne schwarzrotgold. Auch ließen sie sich die Haare zu demonstrativen Mähnen wachsen und trugen die schwarze altdeutsche Tracht. Statt höfischer Zierlichkeit bevorzugten sie den von Jahn geprägten rabiaten bäuerlichen Umgangston. Sie sprachen sich mit dem brüderlichen Du an: „Wir wissen nichts von arm und reich, von Titel, Rang und Stand. Turnbrüder sind sich alle gleich, ihr Gut heißt Vaterland“!Es ist zwar nicht geklärt, ob die Idee der Bücherverbrennung auf diesem Fest von Jahn selbst stammte, sie wurde aber zumindest in Turnerkreisen geboren. Aus Protest gegen die Feudalfürsten warf man bei diesem Fest einen preußischen Schnürleib, einen österreichischen Koproralstock und einen hessischen Militärzopf ins Feuer. Zudem warf man 28 Pakete mit aufgemalten Buchtiteln ins Feuer, Bücher, die als undeutsch, als turnfeidlich galten. So wurde auch der von Napoleon eingeführte Code Civil verbrannt, wohl ein Zeichen, dass das Nationale bei der Aktion überwog.

Die Feste bekamen auch einen stärker politischen Gehalt: So hielt Carl Völker am 18.10.1818 folgende Rede: „Das Volk blickte sehnsüchtig auf den erneuerten Bundestag und erwartete viel von den Herrschern, sie sollten sein die waltende Macht, die aus dem wilden, verworrenen Deutschlandeine neue kräftige Gestalt bildete. Von ihnen erwarteten wir ein deutsches Reich, die Wiederherstellung freier ständischer Verfassung, denn es ist ein angeborenes menschenrecht, also auch angeborenes Recht des deutschen Volkes; ohnbe ständische Verfassung kann der kräftige Geist, der jene Schmach der Wälschen von uns abwälzte, nicht gebährt und erhalten werden. Noch erwarteten wir von ihnen die unumschränkte Presse- und Rede-Freiheit, die Pflegemutter stolzer Tugend und Herrlichkeit; ferner Abschaffung dessen, was den freien Verkehr des Volkes hindert, also seine Bildung und Entwicklung hemmt. Dies waren und sind die Wünsche des Volkes. Es wird eine Zeit kommen des Erwachens, wo das blutgoldne Morgenrot durchdringt durch die Finsternis. Erheben müssen wir unjs gegen Knechtschaft und Zwingherrn-Druck und uns nicht fürchten vor den vielen falschen Propheten, die die Welt bedrücken durch Aberwitz. Wir sollen hervorrufen die Kraft, welche in unseren mächtigen Gliedern wohnt, dann werden die Berge zittern und die Sträöme austreten aus ihren Ufern. Wir werden uns fühlen als Deutsche, als Brüder, die alle einem Ziel zustreben, die heiloige Glut entflammt für das Vaterland.“

Das Wirken der patriotischen Propagandisten auf die Jugend und Studentenschaft war schon 1815 als staatsgefährdend eingestuft worden, obwohl man die Leibesübungen durchaus als nützliche Vorbereitung zum Wehrdienst anerkannte. Die private Organisation der Turner, ihre Turnfeste und Turnlieder, waren hingegen nicht erwünscht.
Für den preußischen König war es schon Anfang 1819 klar, dass die wahrnehmbaren Spannung ein deutliches Zeichen dafür seien, dass man die Jugend zu früh zu einer Teilhabe am öffentlichen Leben veranlasst habe. Diese nachteiligen Folgen hätten sich namentlich bei dem Turnwesen gezeigt. So wurde Mitte März 1819 die Wiedereröffnung der Hasenheide mit Polizeieinsatz unterbunden.
So nutzte der preußische Staat das Attentat, das der Tübinger Theologiestudent, Burschenschaftler und Turner Sand am 23. 3. 1819 an dem russischen Diplomaten und Dichter August von Kotzebue verübte, um die Turnplätze zu schließen.  Jahn dazu: „Mein Freund Sand hat den Kotzebue ermordert. Die Tat kann christlicher Weise nicht gebilligt werden, aber der Täter ist gewiss rein vor Gott und seinem Gewissen, er wollte die Morgenröte wecken, wie er bei seinem Abgange hebräisch an seine Türe in Jena geschrieben. Den noch lebenden deutschen Heldenmut und den Hass gegen die Verräter wollte er zeigen, darum wählte er einen Nichtswürdigen, wenn auch nicht den schlimmsten, und wollte sich selbst den Tod geben.“
Jahn selbst wurde am 14.7. verhaftet und bis 1825 inhaftiert.
Für die nachfolgende Zeit (ab 1820)wurde eine Turnsperre verhängt, die insb. in Preußen rigide verfolgt wurde.
Dagegen wurden zunächst noch Pläne zur Einführung von Leibesübungen als Schulfach betrieben: „Zu Folge einer von Seiner Majestät unter dem 7ten d.M. den unterzeichneten Staats-Minister erlassenen Allerhöchsten Kabinetts-Ordre soll das Turnen, insoweit es als bloße Leibes-Übung zur Ausbildung, Entwicklung und Stärkung der köperlichen Kräfte dient, und sich in den zur Erreichung dieses nützlichen Zwecks notwendigen Schranken hält, der Schule untergeordnet, auch fernerhin im Preußischen Staate gestattet werden“.
Im Januar 1820 dann aber: „Das Turnen ist nur als Leibes-Übung zu behandeln und folglich nur in so weit zu treiben, als es zur Ausbildung, Entwicklung und Stärkung der körperlichen Kräfte dienen kann.. Dieser alleinige Zweck der Turnübungen muss in allen Beziehungen mit der strengsten Folgerichtigkeit festgehaltgen und daher alles, was mit denselben in keinem notwendigen Zusammenhang steht, aus dem Turnwesen entfernt werden. Besonders sind diejenigen Anordnungen, Gebräuche und Einrichtungen des bisherigen Turnwesens, welche eine anderweitige Richtung der Jugend bezweckten, fortan ganzlich zu beseitigen. Namentlich gilt dieses von den bisherigen Turngesetzen und Turn-Gebräuchen, von den Turn-Festen, Turn-Fahrten und Turn-Liedern, als solchen und insoweit sie bestimmt sind, die Turnjugend als eine abgesonderte Genossenschaft darzustellen."
 
 
 

Turnsperre aufgehoben ab 1842
Erst 20 Jahre später erlebte das Turnen einen erneuten Aufschwung. 1842 wurde die "Turnsperre" aufgehoben und das Turnen als "notwendiger und unentbehrlicher Bestandteil der männlichen Erziehung" in den Fächerkanon der höheren Knabenschulen Preußens aufgenommen.
Die "Verschulung" des Turnens
1 842 wurden die Leibesübungen in Preußen "als ein notwendiger und unentbehrlicher Bestandteil der männlichen Erziehung förmlich anerkannt und in den Kreis der Volks-Erziehung aufgenommen".  Es war vor allem die Sorge um die Volksgesundheit und um den Offiziersnachwuchs, die dem Turnen, das jetzt, um politische Assoziationen zu vermeiden, wieder Gymnastik genannt wurde, den Weg in die höheren Knabenschulen ebnete.1' Im Schulturnen hatten politische Ziele und Ansprüche nichts zu suchen, Disziplin und Ordnung waren die u.a. von Spieß propagierten Leitlinien. Die "Verschulung" des Turnens veränderte auch die Inhalte und die Vermittlungsformen grundlegend: Klettern und Tummeln, volkstümliche Übungen und Spiele hatten in den neu errichteten Schulturnhallen keinen Platz, dafür wurden Freiübungen nach militärischem Kommando, Ordnungsübungen, d.h. exerzierähnliche Aufmärsche im Klassenverband, und Reigen (Ordnungsübungen mit Musikbegleitung) eingeführt. Grundsätzlich standen Gemeinübungen - die gleichen Übungen wurden von der ganzen Klasse möglichst gleichzeitig ausgeführt - im Mittelpunkt der Turnstunden. Die Bemühungen, das Turnen wissenschaftlich zu begründen und anderen Schulfächern anzugleichen, führte zu einer Systematisierung des Übungsstoffes und einer Zergliederung motorischer Handlungen in elementare Einzelbewegungen und insgesamt zu einer "Übertülle des elementaren Übungsstoffes und bewegungsmechanischer Künstelei", die in der Folgezeit zum sogenannten Gliederpuppenturnen ausartete. Wie das Bedürfnis nach rationaler Begründung und systematischer Gliederung des Stoffes nicht nur im Turnen aus dem in dieser Zeit verbreiteten Streben nach Rationalität und Wissenschaftlichkeit zu erklären ist, so entsprachen die Werte, Normen und Ziele des Turnunterrichts - Beherrschung des Körpers durch den Geist, Zucht und Ordnung - der vom Obrigkeitsstaat geforderten Erziehung zum Untertanen. Die Zeitgenossen hielten das System von Spieß durchaus für progressiv, da es den geltenden pädagogischen Leitlinien entsprach und geeignet war, große Klassen auch bei schlechter Geräteausstattung und ohne Gefahr von Verletzungen und Unfällen zu beschäftigen.

 In den 40er Jahren kam es in Europa zu wirtschaftlichen Krisen, einer Verbreitung liberaler Bestrebungen und zu politischen Unruhen. Auch in den 39 Einzelstaaten des Deutschen Bund wurden die Forderungen nach politischen Rechten und nach nationaler Einheit immer lauter. In dieser Phase des Aufbruchs waren die Ziele und Ideen des Turnens wieder aktuell. Es begann eine Phase der Vereinsgründungen und die Turnvereine wurden zu Zentren politischer Diskussionen und Aktivitäten. Ein auffallendes Merkmal dieser Turnvereine war ihre veränderte Zusammensetzung: Handwerker und Kaufleute, unterstützt von Lehrern, Pfarrern und Beamten. Die Turnvereine dieser Zeit sind Ausdruck der Lebensverhältnisse dieser Handwerksgesellen. Sie gründen Turnvereine mit festen Satzungen, die häufig bei ihren Wanderungen Anlaufstationen waren; Bekanntschaften wurden dann bei den Turnfesten geschlossen.   Eine hervorragende Gelegenheit, zusammenzukommen, Ideen auszutauschen und Pläne zu schmieden, boten die zahlreichen Turnfeste, die in den 40er Jahren u.a. in Reutlingen, Heidelberg, Bingen, Heilbronn und Frankfurt durchgeführt wurden. Im Mittelpunkt dieser Feste standen nicht nur die Turnwettkämpfe, sondern auch politische Diskussionen und Deklamationen, die meist mit der Forderung nach "Freiheit und Gleichheit" endeten. Neben der Entwicklung und Kräftigung der körperlichen Anlagen war ein wackerer deutscher Sinn und Reinheit der Sitten zu erstreben, zu bewahren und zu verbreiten. Wer sich der Unmäßigkeit und dem Spiel ergab, wurde durch Beschluss des Turnrats und mit Zustimmung der Gesellschaft ausgeschlossen. Desgleichen wer nicht schwelgerischen Genüssen des Lebens  entsagen konnte und seine körperliche Kraft nicht dem Erwerb derjenigen Eigenschaften widmete, welche der Mann im umfassendsten Sinne der Wortes haben sollte. Damit war gemeint: Selbstverpflichtung des einzelnen zur Einhaltung einer besonderen, bürgerlichen Tugend und Moral in Denken und Verhalten: Gleichheit und Brüderlichkeit, Sittlichkeit und Anständigkeit, Einhalten von Regeln, die für alle gelten sollten und schließlich „Wehrhaftigkeit und Stärke, um die Sache des Volkes und der Nation auch gegenüber möglichen Feinden durchsetzen zu können.
Auf dem Heilbronner Turnfest formulierte es Flaigg so: „Der großartigen Erhebung Deutschlands folgte eine Erschlaffung. Die Kraftübungen wurden unterdrückt wegen der Kraftäußerungen. So unterblieben denn die Turnübungen; Barren, Reck und Klettergerüst verfaulten ungebraucht, verschlämmt im Sande lag der Springgraben, aus den Löchern des Schwingels sah das Rosshaar hervor; mit einem Wort, die Turnplätze lagen brach, aber nur um eine neue, vermehrte Zeugungskraft zu sammeln wie des Landmanns Brachfeld.“
(Auf dieser Versammlung wurde übrigens das bis heute gültige Symbol der Turner verabschiedet: die vier F: frisch – fromm – fröhlich – frei, in Form eines deutschen Kreuzes; auch das „Gut-Heil“ soll hier erfunden worden sein)
Die Behörden reagierten auf die Politisierung der Turner mit Kontrollen, Verboten, teilweise auch mit der Auflösung von Vereinen. Besonders verdächtig waren die sogenannten Maulturner, die sich nicht an den Übungen beteiligten und die Turnvereine häufig nur als politische Bühne nutzen wollten.

Erster Deutscher Turntag 1848 in Hanau
Mit dem Wachsen der Turnbewegung wuchs auch der Wunsch nach einem Zusammenschluss. Schon seit 1842 waren Pläne zur Gründung einer Deutschen Turnerschaft entwickelt und auch einige regionale Vereinigungen gegründet worden.
Die ersten Schritte wurden bereits 1846 auf einem Turnfest in Heilbronn eingeleitet, an dem 1175 Turner aus vielen deutschen Gauen teilnahmen, die in 38 Männer- und 16 Knabenriegen zum Wettkampf antraten. In Heilbronn vergaben die Turner ihr nächstes Turnfest nach Frankfurt; hier turnten sie vom 31. Juli bis 2. August 1847 nicht nur, sie fassten auch wichtige Beschlüsse, die die gesellschaftliche Stellung der Turnvereine betrafen. So wurde die Gründung freiwilliger Feuerwehren beschlossen, die damit anerkannt wurden. Daneben war Frankfurt aber auch der Startschuss für eine Radikalisierung der Turner: Die Mannheimer Turner unter Gustav Struve legten einen Antrag vor, dass eine Allg. deutsche Turnerschaft den Zweck haben solle, zum Sturz der Tyrannei, zur Begründung der Freiheit und zur Sprengung der Willkür beizutragen: Waffen-Depots sollten ebenfalls angelegt werden, und jeder Turner sollte einen Eid schwören, für des Vaterlandes und der Freiheit Wohl nicht Tod noch Kerker zu scheuen.“ Diese Vorschläge fanden aber wenig Zustimmung.
Die republikanisch gesinnte Hanauer Turngemeinde griff unter ihrem Vorsitzenden August Schärttner die Einigungsbestrebungen auf und lud die deutschen Turnvereine zu einem Turntag am 2. April 1848 ein. „Der Umschwung der Dinge in unserem deutschen Vaterland hat dem deutschen Turnwesen neuerdings die Bahn geöffnet, ihren Beruf „Entwicklung und Kräftigung eines echten deutschen Volksthums“ frei zu verfolgen“, hieß es in dem Aufruf. „Um aber diesem Berufe mit sicherer Aussicht auf Erfolg leben zu können, ist es nöthig, dass alle Turngemeinden Deutschlands sich zu diesem e i n e n Ziele vereinigen und nach  e i n e m Plane gemeinschaftlich handeln.“
Der Termin war klug gewählt, denn am 31. März wurde in Frankfurt das Vorparlament eröffnet, das die Berufung einer deutschen Nationalversammlung in die Wege leiten sollte. Mitglied dieses Vorplarlaments war auch Friedrich Ludwig Jahn, der bei Schärttner Quartier nahm.
Mit Fahnen, Trommeln und Pfeifen gaben die Hanauer Turner Jahn und den Hanauern Mitgliedern des Vorparlamnets das Geleit nach Frankfurt. Dieser demonstrative Auftritt sorgte für erhebliche Unruhe, ja zu Straßenkämpfen mit Antirepublikanern.
Am folgenden Sonntag zogen die Turntag-Teilnehmer zum Hanauer Marktplatz, vereinigten sich dort mit der Bürgergarde, Schützenkops und Freikorps zu einem prächtigen Festzug und marschierten mit Musik zur Wallonisch-Niederländischen Kirche, in der die Versammlung stattfand. Den Vorsitz führte Jahn. Dabei gründeten die Delegierten aus 40 Turnvereinen den Deutsche Turnerbund gegründet, der es sich zum Ziel setzte, "für die Einheit des deutschen Volkes tätig zu sein, den Brudersinn und die körperliche und geistige Kraft des Volkes zu heben." Zum „Vorort“ wurde Hanau gewählt, was damit die Führung im Bund übernahm. Über den wichtigsten Punkt auf der Tagesordnung, über das "politische Glaubensbekenntnis", sprich die Anerkennung der Republik, konnten die versammelten Turner allerdings keine Einigung erzielen. Darauf zogen die republikanischen Turner aus und schlossen sich teilweise dem Heckerschen Aprilaufstand an, der allerdings nach wenigen Tagen von Truppen des Deutschen Bundes niedergeschlagen wurde. Daher beriefen die Hanauer Turner einen zweiten Turntag für den 2. und 3. Juli 1848 ein, auf dem erneut die Frage der politischen Zielsetzung im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand. Der Antrag, die Republik als Regierungsform anzustreben, fand auch jetzt keine Mehrheit, vor allem, weil auch manche republikanisch gesinnte Turner Politik und Turnen getrennt wissen wollten. Die unterlegene Minderheit wollte diesen Beschluß jedoch nicht akzeptieren, sie trat aus dem Deutschen Turnerbund aus und gründete den „Demokratischen Turnerbund“ mit Sitz in Hanau und Schärttner als Sprecher. Zweck dieses Bundes war es, "durch körperliche und geistige Ausbildung und Verbrüderung aller Deutschen hinzuwirken auf ein freies und einiges Vaterland, welches in dem volkstümlichen Freistaat - der demokratischen Republik - seine Entsprechung findet". Der Demokratische Turnerbund hatte überwiegend in Südwestdeutschland und in Sachsen seine Anhänger, dem Deutschen Turnerbund gehörten vor allem Vereine in Nord- und Nordwestdeutschland an. Dementsprechend nahm er zunächst Marburg, dann Leipzig als Vorort.
Bei dem vergeblichen Versuch in Eisenach, doch noch eine Einigung der Turner zu erreichen, wurde Mitte 1849 ein dritter Verband, der Allgemeine Deutsche Turnerbund, mit dem Ziel, "die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit des einigen deutschen Volkes zu erstreben", ins Leben gerufen. So dauerte es 20 Jahre, ehe schließlich 1868 die Deutsche Turnerschaft gegründet wurde, Vorgängerin des Deutschen Turnerbundes, der seit 1950 besteht und zu pfingsten 1952 seinen ersten Turntag an historischer Stelle, nämlich in Hanau, feierte.

Nationalversammlung Paulskirche Frankfurt 1848
Nach den Erfolgen der liberalen Bewegung im März 1848 glaubten die Turner, ihre Träume und Ziele verwirklichen zu können. Die Zugeständnisse der Fürsten und die Einberufung der Nationalversammlung in die Paulskirche nach Frankfurt schienen den Weg zu einem liberalen Nationalstaat frei gemacht zu haben. Daher nahm das politische Engagement in den Turnvereinen im Frühjahr 1848 zu. Die Turnbewegung spielte in der Revolution von 1848/49 nicht zuletzt deshalb eine wichtige Rolle, weil sie über körperlich geübte, disziplinierte und politisch bewußte junge Männer verfügte. Schon Jahn hatte gefordert, die Söldner durch Volksheere zu ersetzen und die Bestrebungen der Volksbewaffnung wurden von der großen Mehrheit der Turner unterstützt. In vielen Vereinen wurden Turnerwehren gegründet, die in den politischen Unruhen zum Teil für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung, zum Teil für die republikanische Ideen und die Reichsverfassung eintraten. Auch die Hanauer Turner setzten sich aktiv für die republikanische Bewegung in Hessen ein. So unterstützten sie die im Februar 1848 an den hessischen Kurfürsten gerichtete Forderung nach politischer Mitbestimmung und sie waren auch bereit, sich an der Verteidigung Hanaus gegen mögliche Angriffe der kurfürstlichen Truppen zu beteiligen. Die Stadt blieb allerdings unbehelligt, da der Kurfürst die Forderungen der Hanauer Demokraten akzeptierte. Im Sommer 1848 kam es zu zahlreichen Krisen, Erhebungen und bewaffneten Auseinandersetzungen, die die Kräfte der revolutionären Bewegung schwächten. Die erst im März 1849 verkündete Reichsverfassung ließ sich ohne militärische Macht nicht durchsetzen. Die Versuche, die Annahme der Reichsverfassung mit Waffengewalt zu erzwingen, wurden in Dresden, der Pfalz und in Baden von den preußischen Truppen vereitelt. In diese Kämpfe waren zahlreiche Turner verwickelt, die mit der Waffe in der Hand für die Verfassung eintraten. In Baden hatte sich ein revolutionärer Landesausschuß gebildet, der im Juni 1849 in Hanau um Unterstützung bat. Daraufhin zog die Hanauer Turnerwehr unter der Führung August Schärttners mit über 200 Mann nach Baden und stellte sich den revolutionären Truppen zur Verfügung. Die Hanauer Turner waren an verschiedenen Gefechten mit kurhessischen und preußischen Truppen beteiligt. Nach dem Sieg der Reichstruppen flohen viele Turner in die Schweiz, manche emigrierten von dort nach England oder in die USA.

Scheitern der Revolution
Das Scheitern der Revolution beendete den Aufschwung des Turnens und vor allem auch das politische Engagement der Turner. Aufgrund der in mehreren deutschen Ländern 1850 erlassenen Versammlungs- und Vereinsgesetze wurden manche Turnvereine verboten, andere polizeilich überwacht, manche lösten sich selbst auf.
Während der Demokratische Turnerbund von der Bildfläche verschwand, überlebte der Deutsche Turnerbund, wenn auch sehr geschwächt, den Niedergang der Turnbewegung. Sein Vorsitzender folgte 1860 dem "Ruf zur Sammlung" und nahm am "Deutschen Turn- und Jugendfest" in Coburg teil, auf dem erneut die Vereinigung der Turner im deutschen Reich in die Wege geleitet wurde.

Die Turnfeste in Berlin (1861) und Leipzig (1863)  wurden Massenturnfeste ungeahnten Ausmaßes. Mehr als 20 000 Menschen turnten in Leipzig, die Zahl der Turnvereine war inzwischen auf über 1700 mit insg. 170 000 Mitgliedern angewachsen. Leipzig wurde damit Symbol des Aufbaus einer nationalen Körper- und Bewegungskultur in Deutschland.
Dabei wurden besonders militärische Arten des Turnens favorisiert. Im Grunde waren sich alle Turnexperten des 19. Jahrhunderts darin einig, dass das Turnen eine „Vorschule“ für den Wehrmann“ sein sollte, d.h. dass bereits in Schule und Verein die jungen Männer körperlich fit gemacht werden sollten, um beim Militär als Soldaten auch ihren Mann stehen zu können. Dazu gehörte selbstverständlich eine körperliche Grundausbildung, Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Geschicklichkeit und darüber hinaus die Fähigkeit, seinen Körper in jeder Hinsicht zu beherrschen. Deswegen wurden Disziplin, Ordnung und Gehorsam betont.
Bei dem Versuch, sich als einzig legitime Form der Bewegungskultur darzustellen und die staatstragende Bedeutung der eigenen Bewegung zu dokumentieren, wurde immer wieder die Bedeutung des Turnens für die Wehrerziehung betont. Zahlreiche Veröffentlichungen, aber auch die Diskussionen auf Turntagen und Turnlehrerversammlungen drehten sich vor allem in den 60er Jahren um die Frage des Wehrturnens. Symptomatisch ist das Konzept des Leiters der Stuttgarter Turnlehrerbildungsanstalt Otto Heinrich Jäger, der fast alle Übungen seiner "Turnschule" mit einem Eisenstab als Gewehrersatz ausführen ließ, 6 – 10 Pfund schwer.  Auch wenn viele Turner und Turnlehrer das Konzept Jägers  ablehnten, so blieb doch die Wehrerziehung das wichtigste Ziel des deutschen Turnens. Drill und die Disziplinierung des Körpers galten z.B. Kloss, dem Leiter der Turnlehrerbildungsanstalt in Dresden, "als unsterblicher Schutzgeist unseres Volksheeres", als "unentbehrlicher'Bestandteil des Turnens" und als Voraussetzung zur Förderung der Wehrkraft.
 

Daneben wurde aber auch das „volkstümliche Turnen“ gepflegt, das für alle geeignet war und deshalb weniger die schwierigen Geräteübungen beinhaltete als vielmehr die natürlichen, grundlegenden Übungen des Gehens, Laufens, Springens, Werfens und Kletterns. Daraus sieht man, dass dieses stark systematische Turnen häufig weniger mit Bewegung, Schwung und Lebendigkeit zu tun hatte Als vielmehr mit Haltung und Kraft, bis hin zur Erstarrung. Aber es war nur ein Teil des gesamten Turnens, die Turnfahrten und Wanderungen und alle Arten von Kletter- und Balacierübungen zählten ebenso dazu. Besonders spektakulär war das „Pyramidenbauen“, das auf die Verbindung der Turner mit den Feuerwehren zurückging. Denn bei den Feuerwehren wurden die meistens geschickten Turner als Steiger auf den Feuerwehrleitern eingesetzt; und wenn keine Leiter vorhanden war, musste man sich eben mit menschlichen Leitern aushelfen. Nicht ausgefallen, sondern in fast jedem Turnverein beliebt, waren die Pyramiden, kunstvoll arrangierte "Menschentürme", die nach der Erfindung der Photographie zu den verbreitetsten Motiven auf Turnvereinsbildern gehörten. Da die Turnvereine Wirtshaussäle für Feste, Vorführungen, oft aber auch für ihren Turnbetrieb nutzten, sorgten geschäftstüchtige Wirte für hohe Säle, um ihren Kunden eine für sie attraktive Lokalität anbieten zu können.
Daraus entwickelte sich schließlich eine turnerische Kunstform, die bis heute gern gepflegt wird.
 

Mit der Reichsgründung 1 871 war eines der wichtigsten Ziele der Turner, der deutsche Nationalstaat, erreicht. Die 1868 gegründetete Deutsche Turnerschaft (DT) stellte sich vorbehaltlos in den Dienst des Deutschen Reiches, die Turnbewegung hatte sich damit von einer revolutionären zu einer systemkonformen Bewegung gewandelt, die die nationale bis nationalistische Politik sowie die militaristischen und imperialistischen Bestrebungen des Deutschen Reiches in vielfältigerweise unterstützte. Die Turner waren stolz auf das geeinte Deutsche Reich, auf das ersehnte Vaterland. Die Reichseinigung war  nicht durch Reden und Debatten, sondern durch „Eisen und Blut“, d.h. auch durch körperliche Stärke im Kampf geschaffen worden. Damit erhielt das Turnen einerseits einen besonders straffen und militärischen Zug aber auch einen weiteren Ausbau. Die Vereine erweiterten ihr Übungsprogramm; fast überall wurden neue Riegen und Vereine gebildet, so also auch in Sindlingen.
Hier wurde zunächst im Hof des Gasthauses „Adler“ geturnt: am Reck, Barren, Kletter- und Sprunggeräten). Etwas später wurde der Übungsplatz an das damals noch unbefestigte Mainufer verlegt. Für die aktiven Mitglieder war der Besuch der 14-tägigen Mitgliederversammlung und der zweimal wöchentlich festgesetzten Übungsstunden Pflicht. Wahrscheinlich gab es sogar ein Strafgeld!
Mit der Etablierung des Vereins wuchsen auch die außerortlichen Verpflichtungen: Teilnahme an Gauturnfesten, dem Feldberg- und Rhönturnfesten standen auf dem Programm. Auch wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Übungsprogramm erweitert: das Faustballspiel wurde in das Programm übernommen und bis in die jüngere Vergangenheit sehr erfolgreich fortgeführt: Gaumeisterschaften 1910 und 1921!

Bild. Faustballer
 

Höhepunkte des Turnerlebens waren die Turnfeste, die die Intentionen und Prinzipien des Turnens besonders gut widerspiegeln. Zum turnerischen Programm der Turnfeste gehörte im Einklang mit dem Ideal der Turnergemeinschaft das Gemeinturnen. "Bei den Gemeinübungen wird der Einzelne nur als ein Glied einer gesellschaftlichen Einheit mehrerer, als Teil eines Ganzen aufgefaßt." Sowohl bei den Vorführungen von Musterriegen als auch bei den Massenfreiübungen, bei denen alle Turnfestteilnehmer mitmachen sollten, kam es nicht auf große Schwierigkeiten, sondern auf das absolute Gleichmaß/Uniformität der Ausführungen an.

Bild: Massenturnen

Das Wett- oder Preisturnen fand ausschließlich in Form eines Mehrkampfes statt. Seit 1 880 mussten drei Übungen an den Geräten und drei volkstümliche Übungen absolviert werden. Um ein systematisches Training und damit einen in den Augen der Turner ungerechten Vorteil der
Trainierenden zu vermeiden, wurden aus den volkstümlichen Übungen - Springen, Laufen, Werfen, Heben, Hangeln, Ringen - erst wenige Monate vor dem Turnfest drei Übungen ausgewählt. Beim Deutschen Turnfest in Breslau 1 894 einigten sich das Organisationskomitee auf Hochspringen, Gewichtheben mit beiden Händen und das relativ unbeliebte Tauhangeln.  Sieger waren diejenigen, die bei der Addition der in den 6 Übungen erzielten Punkte eine Minimalpunktzahl erreicht hatten.

Bei den Gauturnfesten Ende des 19. Jahrhunderts standen folgende Disziplinen in der Ausschreibung:
Kelsterbach (1888): Reckturnen, Weitsprung, Hochsprung, Stemmen
Lorsbach (1889): Barrenturnen, Weitsprung, Hochsprung, Steinstoßen
Zeilsheim (1890): Reckturnen, Weitsprung, Stabhochsprung, Stemmen
Münster (1895): Reckturnen, Barrenturnen, Stabhochsprung, Pferdturnen

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden auch in Sindlingen neue Zeichen gesetzt: Sowohl die Aktivitäten des Vereins als auch der Übungsbetrieb erweiterten sich
a) Gründung eines Spielmannszuges

Bild: Spielmannszug

b) verstärkte Jahresaktivitäten
Die Jahresaktivitäten nach dem Ersten Weltkrieg sahen häufig folgendermaßen aus (hier das Jahr 1921):
- 24 Mitgliederversammlungen
- Teilnahme am Feldbergfest (Abfahrt morgens gegen 5 Uhr!)
- 1 Familienfeier (meist von der Kapelle Westenberger gestaltet)
- 1 Weihnachtsball am 2. Feiertag mit Theaterstücken und Couplets (Generalprobe jeweils am 1. Feiertag!)
- Tanz am Fastnacht-Samstag
- 1 Preisschießen (1. Preis: 1 Gans; 2. Preis: 1 Ente; 3. Preis: 1 Hase; 4. Preis: 1 Hahn; 5. Preis: 1 Schwartenmagen; 6. Preis: 12 Eier)
- 1 „volkstümliches Wettturnen“ (mit Tanz)
- Teilnahme am Kreisturntag (z.B. Aschaffenburg)
- Teilnahme am Gauturntag
- Gauwanderung (an Christi Himmelfahrt) mit Wettkämpfen
- Teilnahme an den Reichsjugendkämpfen
- „Abturnen“ mit folgenden Aufgaben:
-- Schüler: Übungen an Reck – Barren – Pferd und Freiübung
-- Zöglinge: an 2 Geräten jeweils Pflicht und Kür, Freiübungen, Freiweit, Freihoch und Kugelstoßen
-- Aktive: Schauturnen
-- Altersriege: Schauturnen
anschließend: Ausklang im Vereinslokal „Zur Krone“
Damit fanden auch mehr und mehr die „volkstümlichen Disziplinen“ Eingang in das Turngeschehen: Stabhoch, Freihoch, Freiweit, Kugelstoßen, 50 und 100 m Lauf, Speer, Diskus, Schleuderball.
Auch das „Abturnen“ wurde durch die Verbindung mit der Durchführung der Vereismeisterschaften aufgewertet, zumal der dazu geschaffene gesellschaftliche Rahmen (Tanz im Vereinslokal) Anreize bot.
Andererseits waren die Trainingsmöglichkeiten in den unmittelbaren Nachkriegsjahren durch Platzprobleme eingeschränkt. Es standen der Schulhof, die Turnhalle und der sog. „Juxplatz“ zur Verfügung, den man aber mit dem Fußballverein „Viktoria“ teilen musste. 1923 wurde eine Regelung gefunden: Der Turnverein konnte den Platz montags, donnerstags und samstags nutzen. Dafür erhielt die Viktoria 1000 RM pro Spiel (Inflationszeit), der Eintritt für ein Handballspiel lag bei 100 RM.

c) die Einführung des Frauenturnens
d) die Aufnahme des Handballspiels

Turnen und Frauen
Schon in der Zeit der sogenannten Turnsperre, dem Verbot des Turnens, in den 30er Jahren des 19.
Jhs. sorgten sich Ärzte und Turnlehrer um die Gesundheit des "schwachen Geschlechts".
Rückgratverkrümmungen, Bleichsucht und Kurzatmigkeit waren häufige Gebrechen, die mit den
Lebensbedingungen bürgerlicher Mädchen - ich denke hier nur das Korsett und den
Bewegungsmangel - in engem Zusammenhang stehen. Die ersten Schriften über Anmuts- und
Anstandsübungen für Mädchen warben daher auch mit dem Versprechen, daß auf den Wangen
der Jungfrauen die Rosen und Lilien der Gesundheit blühen und ihren zarten Gliederbau die
Huldgöttinnen der Schönheit und Anmut schmücken". Mit anderen Worten: die Mädchen sollten für den "Heiratsmarkt" fit gemacht werden und das war im 19. Jh. sehr wichtig, bot doch die Ehe die einzige "standesgemäße" Versorgung in einer Zeit, in der Frauen von vielen Tätigkeiten und von allen höheren Berufen ausgeschlossen waren.
 

Die sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen an der Wende zum 20. Jh. veränderten die
Frauenrolle. Auch bürgerliche Frauen wurden jetzt verstärkt berufstätig. Gleichzeitig entstanden -
zum Verdruss vieler Turnmänner - die ersten Frauenabteilungen in Männerturnvereinen, aber
auch selbständige Frauenturnvereine, die häufig von Turnlehrerinnen initiiert und geleitet wurden.
Insgesamt gehörten 1897 rund 16 000 Frauen den Frauenabteilungen von Vereinen der
Deutschen Turnerschaft (DT) an, d.h. ungefähr 3 % der Vereinsangehörigen waren Frauen.

Die Sorge um die Weiblichkeit - Ursachen

Die Ausgrenzung der Frauen aus der Turnbewegung ist auf zahlreiche Faktoren zurückzuführen
und wurde u.a. mit ästhetischen, medizinischen und moralischen Argumente begründet: So glaubte
man, daß das Turnen ein breites Kreuz, einen dicken Hals und breite Hände verursache.
Zahlreiche Übungen galten als schädlich für die Gesundheit - u.a. sollte jede Erschütterung z.B.
beim Springen vermieden werden, da der weibliche Körper von Natur aus geöffnet ist und gar
leicht Vorfälle (der Gebärmutter) entstehen können.

Schließlich befürchtete man auch eine Gefährdung der Schicklichkeit und Sittlichkeit, vor allem bei
öffentlichen Auftritten.

Aus Schicklichkeitsgründen fanden die ersten Turnvorführungen von Mädchen ausschließlich vor
geladenen Gästen statt. Die Werbewirksamkeit von Turnvorführungen hatte aber bald zur Folge,
daß das Schauturnen von Mädchen und auch von erwachsenen Frauen immer selbstverständlicher
wurden. 1894 nahmen Frauen - die Damenabteilung des Alten Breslauer Turnvereins - dann
erstmals an einem Deutschen Turnfest teil - sie führten in Matrosenkleidern Hantelübungen vor.
1898 auf dem Deutschen Turnfest in Hamburg waren es schon mehr als 1 000 Turnerinnen
verschiedener Hamburger Turnvereine, die mit Freiübungen und Riegenturnen die
Weiterentwicklung des Frauenturnens eindrucksvoll demonstrierten. Das Hamburger
Fremdenblatt (21.7.1898) war überzeugt, daß die Vorführungen die Vorurteile der "Gegner des
Turnens weiblicher Personen" widerlegt und den Turnvereinen "neue Kräfte" zugeführt habe.

Ein weiterer entscheidender Faktor für die Möglichkeiten und Grenzen der Frauen - für ihre
Bewegungsfreiheit im wahrsten Sinn des Wortes - war die Turnkleidung. Während Mädchen
Mitte des Jhs. beim Turnen lange Wäschehosen und eine gegürtete Tunika getragen hatten,
forderten Turnpädagogen am Ende des Jhs, daß Turnübungen vom Mädchenturnen
ausgeschlossen werden müßten, "bei welchen eine besondere Turnkleidung vorausgesetzt werden
müßte, wenn nicht unschickliche Blößen oder auch nur Kleiderschäden entstehen sollten"(Lion
1877, S. 78). Das bedeutet, die Turnkleidung sollte mit der unpraktischen und unbequemen
Alltagskleidung identisch sein: Unverzichtbar war auch beim Turnen die schmale Taille, die
Zartheit und Zerbrechlichkeit signalisieren sollte und nur durch die gewaltsame Verformung des
Körpers mit Hilfe des Korsetts erreicht werden konnte.

Übungen, die im langen Rock geturnt und deshalb für Mädchen empfohlen werden konnten,
waren Frei- und Ordnungsübungen, Reigen sowie Hang-, Stemm- und Balancierübungen an
feststehenden Geräten. Die Devise war: Kopf oben, Beine unten und geschlossen.

Als sich der Übungskanon ausweitete, wurden die langen Röcke immer hinderlicher. Den Rock zu
kürzen, war aber nur beschränkt möglich, weil Konflikte mit den Moralvorstellungen
vorprogrammiert waren, sobald der Rocksaum über das Knie rutschte. Wie in anderen
Sportarten entbrannte auch im Turnen nach der Jahrhundertwende der Kampf um die Hose, die
die notwendige Bewegungsfreiheit garantierte, die aber auf energischen Widerstand stieß, weil sie
als Tracht der Emanzipation, der leichtlebigen Muse und des Mannweibsports galt. Angst vor der
Vermännlichung des weiblichen Geschlechts wurde sowohl von Frauen als auch von Männern
geäußert, wobei in den Argumenten der Männer das Bemühen, ihre privilegierte Stellung zu
verteidigen und die "Hosen anzubehalten", deutlich wird.

Eine Vorreiterrolle in der Hosenfrage spielte übrigens der 1893 gegründete Arbeiterturnerbund.
Eine Arbeiterturnerin erinnerte sich: Bald wichen "die weiten Pumphosen und die Turnbluse ...
einer weniger weiten Hose und einem eng anliegenden gestreiften Sweater. Ohne baumwollene
Strümpfe ging es jedoch nicht ... Als kurz vor dem ersten Weltkrieg die ersten mutigen
Turnerinnen ... strumpflos zum Turnen antraten, gab es wieder heftige Auseinandersetzungen, die
jedoch so endeten wie später der Streit: langes Haar oder Bubikopf? Was beim Turnen hinderlich
war, wurde weggelassen!" (Dierker/Pfister 1991, S. 29).

Als in den 20er Jahren immer mehr Beschränkungen und Hindernisse für Frauen im Turnen
wegfielen, nahm auch die Zahl der Turnerinnen kontinuierlich zu. So wurde auch in Sindlingen eine Mädchen- und Turnerinnen-Abteilung aufgebaut. Inzwischen war das Korsett auf
dem Müllhaufen der Geschichte gelandet, die Damen zeigten Bein, der Bubikopf war der "Dernier
cri" und das "Sportgirl" wurde zum Idol. Der Frauenanteil in der Turnbewegung stieg in der
Weimarer Republik auf ca. 20 % (Pfister 1988).

Nach dem zweiten Weltkrieg setzte dann eine kontinuierliche "Feminisierung" des Turnens ein. Die
Mitgliederzahlen im 1950 gegründeten Deutschen Turnberbund (DTB) stiegen von circa 900 000
Anfang der 50er Jahre auf über 4,5 Millionen 1997. Der Anteil der weiblichen Mitglieder wuchs
von 43 % Anfang der 50er Jahre auf 70 % heute.

Die Ursachen dieser Veränderungen können hier nur angedeutet werden. Sie stehen u.a. mit der
Entwicklung und Ausdifferenzierung der Gymnastik als typischer Frauenaktivität sowie der
Zunahme freizeitorientierter und zielgruppenspezifischer Angebote in Zusammenhang. Gleichzeitig
nahm die Attraktivität des Gerätturnens ab.

Mit der Veränderung der Angebote veränderten sich auch die Mitgliederstrukturen der
Turnvereine bzw. -abteilungen, d.h. die Zahl der Mädchen, der weiblichen Jugendlichen, aber
auch der älteren Frauen nahm und nimmt kontinuierlich zu, während sich das Interesse des
"starken Geschlechts" am Turnen langsam aber stetig verringerte. Mit den Veränderungen in der
Mitgliederrekrutierung wandelte sich dann das Image der Turnbewegung: Angebote, die sich
offensichtlich an Frauen richten, schreckten und schrecken männliche Jugendliche und Männer von
einer Teilnahme ab. Zudem gelang es bis jetzt nicht, die Bereiche Gymnastik/Aerobic, Fitness und
Gesundheit auch Jungen und Männern "schmackhaft" zu machen, obwohl für sie gerade
Aktivitäten im Entspannungs- und Gesundheitsbereich mindestens ebenso wichtig wären wie für
Mädchen und Frauen.
 
 
 

Wegbereiter für die turnerische Emanzipation waren die Arbeiterturnvereine, die von sozialistischen Arbeitern getragen wurden, die das nationalistische, militaristische und sozialistenfeindliche Programm der Turnerschaft nicht mehr mittragen wollten. Die sozialen Spannungen im eigenen Land, die Ausgrenzung der „Vaterlandsfeinde“, hatten zur Abspaltung geführt- . Sozialistische Arbeiter waren die Außenseiter der wilhelminischen Gesellschaft und sie wurden bekämpft. Das „Sozialistengesetz“ (1878) war dazu ein wesentlicher Schritt. Auch die Turnvereine wollten keine Sozialisten in ihren Reihen. Nach dem Ende der Verfolgung (1890) bildeten sich rasch eigene Arbeiterturnvereine, die nicht mehr der Deutschen Turnerschaft angehörten. So gründete sich 1893 der Deutsche Arbeiterturnerbund (ATB): Dieser appellierte ganz bewusst an das Klassenbewusstein der Arbeiter in den bürgerlichen Turnervereinen, um sie zum Eintritt in den ATB zu bewegen: „Wie könnt ihr auf der einen Seite in Gewerkschgaften und anderen Organisationen tätig sein und Opfer bringen und auf der anderen Seite die Herde bilden für Personen, die für euer Leiden, für eure Interessen kein Gefühl und kein Verständnis besitzen. Weist es von euch, als blinde Weerkzeuge missbraucht zu werden gegen die Arbeiterturnbewegung, rafft euch doch endlich einmal auf und kämpft mit uns, aber nicht gegen uns.“
Diese Tradition der „Freien Turnerschaft“ wurde 1933 durch die Nationalsozialisten jäh beendet.
b) Wie oben erwähnt richtete der TVS 1922 eine Handballmannschaft ein, die den Sportgedanken in den Turnverein brachte.
Den Sportvereinen haftete bisher das Attribut „englisch“ an. Was war Sport? Es waren Spiele: Fußball, Cricket, Golf und Tennis. Es handelte sich meistens um kampfbetonte Spiele im Freien oder es waren Spiele, die in den höheren gesellschaftlichen Schichten betrieben wurden. Fußball war in allen Kreisen beliebt und das krasse Gegenteil von dem, was die deutschen Turner als pädagogische Leibesübung betrachteten: Es war wild und – auf den ersten Blick – völlig ungeordnet, keine Spur von systematischer Körperschulung war zu erkennen, sondern einseitige und extreme körperliche Anstrengungen, harter kämpferischer Einsatz und dazu die lauten Anfeuerungsrufe der Zuschauer.
Der Stuttgarter Gymnasialprofessor Jäger bezeichnete 1898 das Fußballspiel als „Fußlümmelei“. Jäger meinte, dass der „Hundstritt“ dazu da sei, bissige Köter zu verjagen, aber nicht für ein Ballspiel tauge. „Dieses Hundstritts halber, der beim Fußballspiel eine so große Rolle spielt, da aber auch wegen der vorgebeugten, erbärmlichen Haltung, in welcher hier der Spieler dem Ball entgegen- und nacheilen, verabscheue ich das Fußballspiel. Es sollte auf keinem deutschen Turnplatz Eingang finden.“
Das Spiel verbreitete sich auch auf dem Kontinent, wodurch sich bald in vielen Vereinen eigene Spiel- und Sportabteilungen bildeten, die nicht mehr das klassische Männerturnen mit Frei- und Gerätübungen, mit volkstümlichen Übungen und Wanderungen pflegten, sondern die auch sportliche Wettkampfspiele betrieben und gegen andere Mannschaften um Meisterschaften spielen wollten.
Das Handballspiel wurde nun – trotz vereinsinternen Widerstands – mehr und mehr das Aushängeschild des Turnvereins. Unter Lorenz Hescher, Heinrich Pickel, Walter Rosin, Anton Glatt und Erich Fuhrmann wurde eine schlagkräftige Truppe aufgebaut, die 1931 Gaumeister wurde.

Bild: Handball

Parallel dazu hatten auch die Freien Turner seit 1929 zwei Mannschaften, deren selbstständige Entwicklung aber durch die Ereignisse 1933 abgebrochen wurden. Erst nach dem 2. Weltkrieg startete man einen Neuanfang (unter Karl Wehner), der 1965 mit der A-Klassen-Meisterschaft gekrönt wurde
 

Die Leichtathletik (Laufen, Springen und Werfen) wurden seit langem unter der Bezeichnung „Volksturnen oder Volkstümliche Übungen“ in den Turnvereinen betrieben. Hier lag aber die Zielsetzung anders: Wurde im Turnen der Mehrkampf der Riege bewertet, so ging es in der Leichtathletik um Einzelsieger und um spezialisierte Athleten in einzelnen Disziplinen, die ihren Ehrgeiz darauf richteten, nicht nur besser zu sein als der unmittelbare Konkurrent, sondern auch nach absoluten Rekorden strebten. So waren die Olympischen Spiele Sportfeste, die Turnfeste dagegen Nationalfeste, die gerade in der Weimarer Zeit aufblühten, als Deutschland sowohl 1920 als auch 1924 von der Teilnahme an den Olympischen Spielen ausgeschlossen blieb.
Einen Ersatz boten die Deutschen Turnfeste: über 200 000 Teilnemer 1923 auf dem Turnfest in München, gedeutet als „Symbol der nationalen Widerstandskraft und Selbstbehauptung Deutschlands“. Auch Jahn feierte in den 20er Jahren eine Reaktivierung: Auf Antrag der DT – Führung wurde er in die „Walhalla“ aufgenommen.
Das Turnfest 1933 in Stuttgart erhielt aufgrund der politischen Veränderungen einen neuen Akzent. Schon im Vorfeld, bei der Auswahl des Veranstaltungsortes, zeigten sich Verschiebungen. Stuttgart stand in Konkurrent zu Breslau, das über ein nationales Turnfest den völkischen Gedanken im Osten festigen wollte. Auch Anton Hegele  warb für Stuttgart,, indem er die „völkische Bedeutung dieser Stadt für einen möglichen Ernstfall mit Frankreich betonte. Und tatsächlich bekam die Schwabenmetropole den Zuschlag. Durch die Machtergreifung Hitlers veränderten sich die Rahmenbedingungen. Die Nazis setzten nämlich im Rahmen der Gleichschaltung einen „Reichssportkommissar“ ein, Hans von Tschammer und Osten. Und tatsächlich wurde den Nationalsozialisten der Weg in die Deutsche Turnerschaft leicht gemacht. Der Turnerjugendführer Edmund Neuendorff brachte den DT auf NS-Kurs. Es wurde bereits im April 33 verfügt, dass in allen Vereinen Wehrturnen eingeführt werden müsste; das Führerprinzip habe ebenfalls in den Vereinen zu gelten; die Vereine müssten auch von marxistischen Elementen gereinigt werden; auch die Arisierung sei bis zum Turnfest durchzuführen. Auf diesem Turnfest sollte Hitler eine ergebene und judenfreie Turnerschaft präsentiert werden. Der Reichskommissar übernahm dann schließlich die Führung in der Turnerschaft, so dass deren Auflösung bzw. Einbindung als Fachamt für Geräteturnen und Turnspiele im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen, dem verordneten Einheitssportverband im DrittenReich.
Das Turnfest in Stuttgart war damit in den Sog der aktuellen Politik geraten. Zwar wurden einerseits Qualität und Kontinuität der turnerischen Arbeit der Vereine gezeigt, auch die Öffnung für Wettkampfsport (z.B Tennisturnier!) und für Mädchen und Frauen; andererseits zeigten sich die Veränderungen: „Mannschaftswehrkampf“ der Turnerjugend mit Hindernislauf, Keulenwerfen und Luftgewehrschießen in SA-Uniformen!
Neben dem Turnerkreuz mit den 4 roten F bestimmte das Hakenkreuz die Szenerie. Die Einweihungsfeier des neuen Stadios „Adolf-Hitler-Kampfbahn“ wurde von SA und SS-Abteilungen gestaltet. Die patriotischen Reden, die die Turner früher kennzeichneten, wurden gesteigert: „Turner sollen den gesunden soldatischen Geist der braunen Armee aufnehmen“.  (Tschammer)
Der Höhepunkt war dann auch der Auftritt der politischen Prominenz: Hitler und Papen und Goebbels erschienen in Stuttgart. Er betonte die Kraft der Turner: „Nicht allein das Wissen zählt im Dritten Reich, sondern auch die Kraft“. Als er am Ende zu einer Schweigeminute für Jahn aufforderte, stellte er sich in die Tradition der Turnbewegung.
Die Nazis drängten in den folgenden Jahren die Rolle der Turner zurück:
- Der Einfluss der Turnvereine auf Kinder und Jugendliche sollte begrenzt werden. Außerschulische Jugenderziehung war Sache der HJ und des BDM
- Sowohl SA als auch die Deutsche Arbeitsfront boten Sport an
So sank die Zahl der Vereinsmitglieder von ehemals 6 Mill auf ca. 2 Millionen
Damit überrascht es auch nicht, dass sich im April 1936 die Deutsche Turnerschaft selbst auflöste! Die Vereine im Ort blieben zwar bestehen, aber sie verkümmerten meist zu einem kleinen Kreis treuer Anhänger, die die Vereinsgemeinschaft fortführten .

Nach dem Kriege begannen schon bald wieder turnerische und sportliche Aktivitäten in den Dörfern und Gemeinden. Der Aufbau der Vereine vor Ort erfolgte in der Regel in Anknüpfung an alte Vereinstraditionen, wobei aber die Besatzungsmächte manches argwöhnisch beobachteten. Einerseits waren sie der Auffassung, dass Turnen und Sport und die Vereine und Verbände ein „mächtiges Werkzeug zum Verbreiten von Nazilehren und Einprägung von Militarismus gewesen sei“ (so Anweisung Nr. 17 der Britischen Militärregierung), andererseits wussten die Alliierten auch, dass der Sport in ihren Ländern ein Mittel der Erziehung zur Gemeinschaft darstellt. Überregionale Verbindungen wurden nicht geduldet, auch nicht Sportarten, die militärischen oder militaristischen Charakter hatten (Kampfsport). Aber auch das Turnen stand in Verdacht, militaristisch zu sein. Die Kontrollratsdirektive Nr. 23 über „Beschränkung und Entmilitarisierung des Sportwesens in Deutschland“ gestand den Turn- und Sportvereinen zwar zu, keine Naziorganisationen im engeren Sinne gewesen zu sein, aber sie waren Mitglied im NS Reichsbund für Leibesübungen“. Zum Zwecke der Gesundheit, der Hygiene und der Erholung erlaubte die Direktive die Neugründung der Turn- und Sportvereine, mussten aber von den Kontrollbehören genehmigt werden.
Für viele Turner war die Spaltung der Turnbewegung mitverantwortlich, dass das Turnen Instrument der NS-Politik werden konnte. Deswegen galt als wichtiges Ziel, die Wiedererlangung der Einheit der Turnbewegung. Meist ergriffen die ehemaligen Arbeiterturner (politisch unbelastet) die Initiative zur Wiederbelebung des Vereinssports.
Am 2. September 1950 wurde schließlich der Deutsche Turner-Bund in Tübingen gegründet. Vorsitzender wurde Dr. Walter Kolb. Ihm war es zu verdanken, dass zahlreiche Streitigkeiten der Turner ausgeräumt werden konnten und dass die Alliierten der Gründung eines Dachverbandes zustimmten. Die Turnbewegung nach 1945 ging nun in der Einheitssportbewegung des Deutschen Sportbundes (DSB) auf und büßte im Vergleich zu früher an Macht und Einfluss ein. So kommt z.B. das Wort „Turnen“ kommt z.B. in der Satzung des DSB nicht mehr vor (DDR: Deutscher Turn- und Sportbund). In der BRD setzte sich nach 1945 als Überbegriff für alle Formen und Inhalte organisierter Leibesübungen der Begriff „Sport“ durch.
Für den Sindlinger Turnverein war die Einführung des Tischtennisspiels im Jahre 1950 ein weiterer Schritt zur Modernisierung. Dieser Schritt war aber mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da Tischtennis großen Raumbedarf hat. Nach Überwindung vieler Schwierigkeiten konnte die Herrenmannschaft bereits 1957 in die Bezirksklasse, 1959  in die Gruppenliga und 1963 gar in die hessische Landesliga aufsteigen. Ellmar von Eschwege, Paul Jung, Willi Hennemann, Günther Quadflieg, Alfred Diefenhardt und Manfred Marscheider gelang dieser spektakuläre Erfolg, der aber nicht lange vorhielt, so dass in den folgenden Jahren sehr unterschiedliche Erfolge zu verzeichnen waren.

Dagegen blieben viele Formen erhalten:
- Banner – Übergaben
- Feierstunden und Kundgebungen
- Festzüge
- Freiübungen; Gerätturnen, volkstümliche Übungen
Andererseits gab es auch Neuerungen:
- kein Wehrturnen mehr
- Frauen und Mädchen eroberten zunehmend die Vereine
- das Kunstturnen gewann an Bedeutung
- volkstümliche Zielsetzung, d.h. sowohl breites Angebot an Leibesübungen und Öffnung für alle
d.h. Spagat zwischen Breiten- und Spitzensport
Hierzu dient insb. die „Sportwerbewoche“, die seit dem 100jährigen Jubiläum durchgeführt wird!
b) Das Indiacaspiel löste das über lange Jahrzehnte sehr erfolgreich betrieben Faustballspiel ab
- Ausbau des Kinder- und Jugendturnens, heute eher als freies und spielerisches Bewegen; seit 60er Jahre als „Mutter-und-Kind_Turnen erweitert
- Seit den 70er Jahren:
- Sport für Freizeit und Gesundheit; Konkurrenz der Vereine durch gewerbliche Sporteinrichtungen
Þ starke Umstellung auf Gymnastik (gesundheits- oder fitneßorientiert)
Kehrseite: Die Grund- und Kernsportarten Gerätturnen verliert an Bedeutung
Turnen heißt heute Gymnastik, Fitneß- und Gesundheitssport (Gymnaestraden)
 

Turnen im NS

Wie die anderen Sportverbände war auch die Deutsche Turnerschaft mit Begeisterung und ohne erkennbaren Widerstand in den eigenen Reihe in das 3. Reich marschiert. Bereits am 23. März