Aus der Geschichte des Turnvereins Sindlingen

Mit der Gründung des Sindlinger Turnvereins im Jahre 1875 folgten die Initiatoren einer breiteren Gründungsbewegung, die zu Beginn des Kaiserreichs auch unsere nähere Umgebung erreichte. Folgende Vereine wurden in diesem Zeitraum ins Leben gerufen:
1865 Turnerschaft Griesheim
1872 Turn- und Spielvereinigung Schwanheim
1876 TV Niederrad
1877 SG Nied
1878 SG Sossenheim
1885 Turngemeinde Zeilsheim
1887 Turngemeinde Unterliederbach
Lediglich die Gründung der „Turngemeinde Höchst“ (1847) lag zeitlich deutlich früher.

Damit schlossen die Turner wohl endgültig den Frieden mit dem Staat, der jahrzehntelang die Turnbewegung kritisch begleitet, ja zeitweise sogar verboten hatte.

Die Frühzeit des Turnens
Das Wort „Turnen“ geht bekanntlich auf Friedrich Ludwig Jahn zurück, der bereits 1811 den ersten Turnplatz auf der Hasenheide in Berlin eröffnete. Von dort aus verbreiteten sich Idee und Praxis des Turnens als einer besonderen Form der nationalen und militärischen Erziehung praktisch in allen Ländern in Deutschland. Träger dieser frühen Nationalbewegung waren vorwiegend  Studenten, sie machten das Jahnsche TURNEN zunächst an den Universitäten, den Zentren der frühen Turn- und Nationalbewegung, bekannt.
Mit den grundlegenden politischen Veränderungen nach dem Sieg über Napoleon (1813) wurde die Nationalbewegung in ihrer Forderung nach Einheit und Freiheit den wiedererstarkten Fürsten suspekt; in vielen Ländern des Deutschen Bundes wurde das Turnen verboten (1820 – 1842), auch wenn Pläne zur Einführung einer körperlich-gymnastischen oder turnerischen Erziehung an den Schulen vorangetrieben wurden.
Dennoch bestanden 1818 in ganz Deutschland ca. 150 Turngesellschaften mit ca. 12 000 Mitgliedern, davon zwei Drittel in Preußen.
Ein zweite Entfaltungsperiode des Turnens war dann die Vereinsturnbewegung der 1840er Jahre, besonders in den süddeutschen Ländern. Jetzt engagierten sich nicht mehr nur Schüler und Studenten, sondern auch erwachsene Handwerker und Handwerksgesellen. Das Vereinsleben wurde durch Statuten strenger und bis in Einzelheiten des Privatlebens hinein geregelt, Als Zweck wurde häufig neben der Entwicklung und Kräftigung der körperlichen Anlagen auch ein wackerer deutscher Sinn und Reinheit der Sitten angestrebt. Nur erwachsene Männer konnten als Mitglieder in die Vereine aufgenommen werden. Alle fühlten sich brüderlich verbunden und redeten sich – ohne Rücksicht auf  Standesunterschiede - mit „Du“ an.
Mit der Einrichtung  privat organisierter „Turnanstalten“ konnte das Turnen die Zeit der Verbote (1820 – 1842; 1850 – 1860) überstehen. Immerhin boten diese kommerziellen Turnangebote die Möglichkeit, das Turnen auch im Winter durchzuführen und die Turner so ständig zusammenzuhalten. Dadurch entstanden dauerhafte Verbindungen, die Grundlage späterer Turnvereine.
Um 1870 schwenkten schließlich die Turner auf den Kurs der Regierung ein. Die Pflege vaterländischer Gesinnung, der sich die Turner ja seit je verschrieben hatten, konnte mit dem neu geschaffenen, auf nationaler Einheit fußenden Kaiserreich seinen Frieden schließen.
Andererseits traten zu jener Zeit bereits neue Sportarten auf, die meist aus England übernommen wurden: Rudern, Eislauf und Radfahren, bald auch Cricket, Fußball, Tennis und Segeln. Die Turnvereine reagierten verschieden auf die Herausforderung durch die "Sportbewegung": Diese neue Form von Leibesübungen war auf den britischen Inseln seit der Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden und hatte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch auf den Kontinent übergegriffen. Die wichtigsten Merkmale des „Sports“ sind Leistungsprinzip, Konkurrenzdenken und Rekorde, und vor allem mit letzteren hatten die Turner naturgemäß Schwierigkeiten. Sie leisteten der Sportbewegung aber auch nationalistischen Gründen von Anfang an Widerstand und qualifizierten sie teils als „undeutsch“ ab, teils  richteten sie eigene Abteilungen für Schwimmen, „Volkstümliche Übungen“ (Laufen, Springen, Ger-Wurf, Steinstoß, Ringen) oder Turnspiele ein. Häufig lösten sich dann aber solche Abteilungen von ihrem Turnverein und bildeten eigene Sportvereine. Dennoch wurde nach 1870 das Sportangebot deutlich erweitert, was von der „Deutschen Turnerschaft“ (1868 gegründet) energisch bekämpft wurde.

Vor 125 Jahren

Trotz der Gründung der Hoechster Farbwerke in Jahre 1863 hatte Sindlingen noch eine überwiegend bäuerliche Bevölkerung. Mit der rapiden Entwicklung der »Rotfabrik« und dem ständigen Zustrom von Fabrikarbeitern aus allen Teilen des Hessenlandes und dem benachbarten Bayern wuchs  auch die Bevölkerungszahl. Ca. 1000 Einwohner zählte Sindlingen, als am 18. Juli 1875 14 Bürger (Matthias Sittig, Peter Sittig, Peter Weiß, Ludwig Weiß, Reinhard Noll, Peter Burckhardt, Jakob Burckhardt, Johann Huthmacher, Anton Blankenberger, Heinrich Karell, Franz Karell, Georg Kremer, Peter Noll und Josef Noll) im damaligen „Gasthaus Adler“ den Turnverein ins Leben riefen. In der Gründungsversammlung wurde Reinhard Noll zum ersten Vorsitzenden gewählt. Bald danach konnte mit dem später so erfolgreichen Turner Liesum der erste Turnwart gewonnen werden.
Aus der Tatsache, dass sich dieser neue Verein „Turnverein“ nannte, kann man die Abgrenzung zum oben genannten „Sportverein“ herauslesen.
Unter den Gründungsmitgliedern befand sich keine einzige Frau, obwohl in manchen Großstädten schon in den sechziger Jahren Frauenabteilungen im Turnen gegründet worden waren. Diese Entwicklung kam aber nur schleppend voran, denn die Auflösung des konservativen Frauenbildes verlief nicht ohne Widerstand. Gerade in kirchlich beeinflussten Gesellschaftsschichten wurde weibliches Turnen auch mit einer – angeblich gewollten – Zurschaustellung des weiblichen Körpers gleichgesetzt und war deshalb verpönt.
Die Mitgliederzahl im Sindlinger Turnverein wuchs zwar zunächst nur langsam, doch konnte bereits am 2. Weihnachtsfeiertag 1875 ein Turnerball mit turnerischen Vorführungen abgehalten werden. Fast neun Jahrzehnte lang behielten die Turner den 2. Weihnachtstag für ihren Winterball bei, und alljährlich war dieser in Sindlingen ein gesellschaftliches Ereignis.
Als Turnplatz diente zunächst der Hof des Gasthauses „Zum Adler“ (heute Schuhmacherei Moos in der Huthmacherstraße). Leider wurden die vom Mitglied J. Weiß angefertigten Turngeräte (ein feststehendes Reck, ein Barren und Kletter- und Sprunggeräte) 1876 durch einen Brand zerstört. Erst auf wiederholtes Ersuchen wurde dem Verein vom damaligen Amtsvorsteher in Höchst ein Turnplatz am Main in Verlängerung der heutigen Zehnthofgasse zugewiesen (ehemaliger „Weidenborn“). Man muss dabei bedenken. dass das Sindlinger Mainufer zur damaligen Zeit noch nicht befestigt war!
Trotz des Verlustes der Geräte brachte dieses Jahr die ersten turnerischen Erfolge. Bei der Einweihung des Turnplatzes in Marxheim am 16. Juli 1876 wurden bei den Wettkämpfen neun Preise errungen. Beim Schau- und Preisturnen des Main-Taunus-Verbandes erhielt der Turner Reinhard Noll den 1. Preis .
Neben den sportlichen Aktivitäten wurde durch die alle 14 Tage stattfindenden Vereinsversammlungen, in denen das Erscheinen  aller  Mitglieder Pflicht war, der innere Zusammenhalt des Vereins gestärkt. Und auch an den zweimal wöchentlich festgesetzten Übungsstunden durfte kein aktiver Turner unentschuldigt fehlen.
Diese Turnaktivitäten machten auch vor der Schule nicht halt, sodass bereits im Jahre 1881 unter dem Lehrer Wollweber das Turnen in das Sindlinger Schulprogramm aufgenommen wurde, ehe 1893 per Erlass für alle Schulen drei Turnstunden für die männliche Jugend und ab 1905 zwei für die Mädchen vorgeschrieben wurden.
Anlässlich seines zehnjährigen Bestehens führte der Verein am 16. August 1885 zum ersten Male selbst eine größere turnerische Veranstaltung durch, an der Turnvereine des damaligen Main-Taunus-Verbandes teilnahmen. Die Veranstaltung wurde offensichtlich ein großer Erfolg. Sie trug viel dazu bei, dass die Sindlinger Turner im Heimatbezirk immer mehr an Ansehen gewannen und vom Turntag des Main-Taunus-Verbandes mit der Durchführung des 12. Verbandsfestes 1888 beauftragt wurden.
Noch im gleichen Jahre konnte mittels einer erheblichen Spende des Mitgliedes Anton Schäfer, der dem Verein ein bleibendes Andenken stiften wollte, eine Fahne (Standarte) angeschafft werden, deren Weihe am 19. Mai 1889 vorgenommen wurde. (Diese Fahne hängt noch heute in einem Schaukasten im Turnerheim!)
Die bei den Veranstaltungen des Vereins erzielten Überschüsse wurden zur Beschaffung der zum Turnbetrieb benötigten Geräte verwendet. Auch zu wohltätigen Zwecken stellte der Verein seine Dienste stets zur Verfügung. So wurde zum Beispiel 1898 für den Baufonds des hiesigen katholischen Schwesternhauses ein Turnabend mit anschließendem Ball arrangiert und ein Erlös von 200 Goldmark erzielt.

Um die Jahrhundertwende
Diese Jahre sind durch ein vielfältiges Vereinsleben im Ort gekennzeichnet. Der Turnverein hatte aufgrund seiner Turnveranstaltungen, seiner Feste (meist mit Theateraufführungen verbunden) einen festen Platz im Ortsgeschehen.  Die freundschaftlichen Beziehungen zu den übrigen Vereinen unserer Gemeinde, vor allem zu den Sängern, wurden mehr und mehr ausgebaut. So war es nicht verwunderlich, dass die Feier anlässlich des 25jährigen Bestehens des Turnvereins vom 4. bis 6. August 1900 unter Beteiligung der gesamten Sindlinger Bevölkerung und vieler befreundeter Nachbarvereine zu einem wahren Volksfest wurde.

 Das 25-jährige Jubiläum des Turnvereins (August 1900)

Nach der feierlichen Weihe der Turnfahne im Mai 1899 feierte der Turnverein vom 4. – 6. August 1900 sein 25jähriges Jubiläum. „So kommt denn herbei, werthe Turngenossen aus Nah und Fern, zu unserem Jubelfeste nach Sindlingen zur Eurer und unserer Freude, der herzlichsten Aufnahme dürft Ihr versichert sein“. Mit diesen Worten warb der Vorstand  zum Besuch der Feierlichkeiten am Main. Weiter hieß es in etwas pathetischen Worten: „Wir können Euch versichern, dass Sindlingen eifrigst bemüht sein und alles aufbieten wird, das Fest zu einem glänzenden zu gestalten, um Euch den Aufenthalt angenehm und unvergesslich zu machen. Die ganze Einwohnerschaft unterstützt uns, damit sich das Fest den vorhergegangenen ebenbürtig zur Seite stellen kann. Der Festplatz ist unmittelbar am Ort und dem Main schön und schattig gelegen.“
Das Festprogramm war in eine Vor-, Haupt- und Nachfeier unterteilt. Die Vorfeier begann am Samstag bei eintretender Dunkelheit mit einem Fackelzug durch die Ortsstraßen, anschließend  fand der übliche Kommers auf den Mainwiesen statt.
Die eigentliche Feier startete dann am Sonntag mit einem Weckruf um 5 Uhr morgens! Zwischen 11 und 12 Uhr spielte eine Militärkapelle, ehe sich ab 14 Uhr der Festzug durch die Ortsstraßen zum Festplatz schlängelte. Dort standen dann die Festrede, die Übergabe der Ausszeichnungen an die Jubilare und ein Schauturnen auf dem Programm. Um 16 Uhr folgte der „Fahnenreigen sämtlicher Festjungfrauen“, der von einem Konzert und Tanz auf dem Festplatz abgelöst wurde.
Der Tag fand schließlich seinen Höhepunkt mit dem eigentlichen Festball ab 20 Uhr.
Die Nachfeier folgte dann am Montag, dem 6.8.: Ab 10 Uhr Frühschoppen und Konzert auf dem Festplatz; nachmittags ab 15 Uhr Zug zum Festplatz, anschließend Stabreigen, Jugend- und Volksspiele, Konzert und Tanz.
Das „Höchster Kreisblatt“ schrieb am 7. August in seinem redaktionellen Teil: „Das 25-jährige Stiftungsfest des hiesigen Turnvereins wurde gestern festlich begangen. Die Häuser des Ortes waren reich geschmückt und die Straßen zierten Ehrenpforten. An dem Fackelzug am Samstag Abend betheiligten sich die hiesigen Vereine und bei dem Kommers auf dem Festplatz wirkten die Gesangvereine neben der Musik der Biebricher Unteroffizierschule mit. Bei dem Gottesdienst heute Vormittag trugen dieselben ebenfalls zur Verherrlichung bei. Nach demselben wurden die Gräber der verstorbenen Mitglieder besucht und Kränze niedergelegt, wobei die Musik Trauerweisen intonirte. Am Mittag fand Konzert statt. Nachdem die fremden Vereine abgeholt worden waren, zog der Festzug durch die Ortsstraßen. Auf dem Festplatz herrschte bald buntes Treiben: Tanzbelustigung, Turnübungen, etc. Die Festrede hielt Herr Musiklehrer Kreuzer. Sehr schön nahm sich der Fahnenreigen der Festdamen aus. Diese und der Radfahrerverein hatten dem festgebenden Verein Fahnenschleifen geschenkt. Der Festball wurde im „Löwen“ und in der „Krone“ abgehalten. Heute fand ein Volksfest auf dem Festplatze statt.“
 

Neben den Gaufesten nahmen die Turner aktiv an den Feldberg-, den Rhönturn-, den Kreisturnfesten des Mittelrheinkreise” (zu vergleichen in etwa mit den heutigen Landesturnfesten) und an den Deutschen Turnfesten teil. Das Übungsangebot für die sportbegeisterte Jugend wurde erweitert. Neben Ringen, Stemmen und Schwimmen wurde auch das Spiel, vor allem Faustball, in das turnerische Übungsprogramm aufgenommen. Die 1. Faustballmannschaft wurde bereits 1910 Gaumeister des Untertaunusgaues.
Ein innerlich gefestigter Verein gab dem Vorstand in den Jahren nach der Jahrhundertwende die Möglichkeit, seine Mitglieder auch in sozialer Hinsicht zu betreuen. In den Vereinsstatuten wurde beispielsweise festgelegt, dass jedem Vereinsangehörigen, der zum Militär einrücken musste, eine Spende von drei Goldmark zuzuwenden sei. Die Männer, die ihre Einberufung erhalten hatten, wurden jedes Jahr im September feierlich vom Verein verabschiedet.

Im Jahre 1909 traf den Verein ein schwerer Verlust. Die zwischen den alten Pappeln in Verlängerung der Zehnthofgasse errichtete Turnerhütte wurde bei einem Hochwasser aus der Verankerung gerissen und von den Fluten samt den darin aufbewahrten Sportgeräten fortgeschwemmt. Durch persönlichen Einsatz einiger Mitglieder gelang es zwar, Teile der Hütte bei Okriftel zu bergen, die Sportgeräte waren jedoch fast alle verloren. Der Turnplatz wurde vorübergehend auf ein Ackergelände, angrenzend an die heutige Straße „Zur Friedenseiche“, später jedoch wieder zurück an den Main verlegt, etwas weiter nördlich als der frühere Übungsplatz in Richtung Farbwerke. Etwa dort, wo sich heute die Böschung zur Farbwerksbrücke über den Main erhebt, wurde eine neue Turnhütte errichtet.
Um den Ankauf eines eigenen Sportplatzes rechtlich zu ermöglichen, wurde der Verein aufgrund eines Vorstandsbeschlusses im Jahre 1910 in das Vereinsregister des Königlichen Amtsgerichtes in Höchst eingetragen. Vorerst erreichte der Vorstand in Verhandlungen mit dem damaligen Bürgermeisteramt von Sindlingen, dass der Verein mit seinen Turngeräten 1912 in die von Dr. Herbert von Meister erbaute Turnhalle der neuen Gemeindeschule, die später seinen Namen erhielt, einziehen und die Turnstunden hier durchführen konnte.
Der Ausbruch des 1. Weltkrieges führte zu einer starken Einschränkung des Turnbetriebes, stärkte aber die soziale Verpflichtung des Vereins. So beschloss eine Mitgliederversammlung 1914, dem Roten Kreuz und dem Vaterländischen Frauenverein eine einmalige Spende von 150 Goldmark zu überreichen. Außerdem sollten die Familien der im Felde stehenden Mitglieder eine Unterstützung von drei Goldmark erhalten. Über die Nassauische Landesbank wurde für die 44 eingezogenen Mitglieder eine Versicherung dahingehend abgeschlossen, dass an die Angehörigen eines im Krieg gefallenen Mitgliedes ein Betrag von 250 Goldmark ausgezahlt werden sollte. Die hierfür erforderlichen Versicherungsbeiträge wurden von der Vereinskasse getragen. Das Vermögen des Vereins bestand hauptsächlich aus „Deutschen Reichsanleihen“ (1800 Mark bei ca. 2300 Mark Gesamtvermögen).
Im Januar 1915 betrug die Mitgliederzahl 172 Personen. Dieser Stand hielt sich ziemlich konstant bis 1918. Auch in den Kriegsmonaten wurden die Monatsversammlungen und Turnübungsstunden durchgeführt. Auf dem reduzierten Veranstaltungsprogramm standen allerdings nur die Teilnahme an der Geburtstagsfeier des Kaisers, am Feldbergfest und am Gau-Turntag. Bei Kriegsende kehrten 21 Vereinsmitglieder nicht mehr in die Heimat zurück. Ihre Namen wurden später auf einer Gedenktafel festgehalten. Dementsprechend wurden auf der ersten Jahreshauptversammlung nach Kriegsende sowohl der gefallenen Mitglieder als auch des verstorbenen Ehrenmitglieds Dr. Herbert von Meister gedacht. Mit ihm verlor der Verein einen Gönner, der sich seit seiner Übersiedlung nach Sindlingen sowohl für die Gemeinde als auch für die Vereine sehr stark eingesetzt hatte.

Nach dem 1. Weltkrieg

Der Wiederaufbau des Vereins vollzog sich relativ schnell. Ende 1919 zählte er bereits wieder 98 aktive, 58 passive und 7 Ehrenmitglieder. Hinzu kamen noch 45 Zöglinge, also 208 Turner insgesamt.  Im Laufe des Jahres wurde durch die Initiative der Turnwarte Jakob Henrich und Philipp Becker dem Verein eine Schülerabteilung angegliedert. Henrich war es auch, der sich in den folgenden Jahren für die Gründung einer Turnerinnen- und Schülerinnen - Abteilung einsetzte, die im Februar des Jahres 1922 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Bei der ersten Teilnahme am Gau-Turnfest in Weilbach erreichte Frauka Nägler für die Sindlinger Fahnen den 3. Platz!
Folgende Vorstandsmitglieder übernahmen die Vereinsgeschicke nach dem 1. Weltkrieg:
1. Vorsitzender: Heinrich Hess
2. Vorsitzender: Andreas Reitz
1. Schriftführer: Friedrich Dollase
2. Schriftführer: Anton Glatt
1. Kassierer: Peter Neuser
2. Kassierer: Leonhard Kremer
1. Turnwart: Johann Henrich
2. Turnwart: Georg Burkardt
Vorturner: J. Hedtler und. Ph. Ihl
1. Spielwart: Lorenz Hescher
2. Spielwart: Karl Schäfer
Zeugwart: Th. Sittig
Auch das Faustballspiel war bereits 1919 wieder erfolgreich aufgenommen worden: 1921 erreichten die Spieler zum zweiten Male die Gaumeister-Meisterschaft. Als Anfang der zwanziger Jahre das Handballspiel populär wurde, war der Verein einer der ersten, der bereits Ende 1922 eine Handballabteilung ins Leben rief, die sich schon 1923 an den ersten Verbandsspielen im Rahmen des Untertaunusgaues beteiligte. Trikots konnten aber wohl erst 1924 angeschafft werden.
In den Jahren 1920 bis 1925 erlebte der Turnverein eine neue Blütezeit. Besonders in turnerischer Hinsicht ging die Erfolgskurve steil nach oben. Auf allen Gaufesten belegten Sindlinger Turner erste Plätze. Namen wie J. Hedtler, G. Burkhardt, Ph. Becker, Ph. Ihl, J. Henrich, A. Distel, A. Best, R. Weigand und W. Dobislav standen für zahlreiche Erfolge im Kreis.  Erfreulicherweise trat auch die Jugend des Vereins mehr und mehr in den Vordergrund und stellte sich in ihren Leistungen mit an die Spitze im Turngau. Neben der turnerischen Arbeit wurde auch das Wettschwimmen mit Erfolg betrieben: Beim Gauturnfest in Flörsheim (1920) trugen sich Jos. Schäfer, A. Reitz, W. Eisen, J. Sittig, H. Weiß und J. Weigand in die Siegerlisten der Oberstufe ein. In der Unterstufe findet man die Namen von J. Best, J. Schwickert, K. Eisen, A. Distel, O. Brunnhöfer, K. Mann und A. Vogt.
Neben den sportlichen Aktivitäten sorgten auch Trommler und Pfeifer dafür, dass man vom Turnverein im wahrsten Sinne des Wortes hörte.
Die Jahresaktivitäten nach dem Ersten Weltkrieg sahen häufig folgendermaßen aus (hier das Jahr 1921):
- 24 Mitgliederversammlungen
- Teilnahme am Feldbergfest (Abfahrt morgens gegen 5 Uhr!)
- 1 Familienfeier (meist von der Kapelle Westenberger gestaltet)
- 1 Weihnachtsball am 2. Feiertag mit Theaterstücken und Couplets (Generalprobe jeweils am 1. Feiertag!)
- Tanz am Fastnacht-Samstag
- 1 Preisschießen (1. Preis: 1 Gans; 2. Preis: 1 Ente; 3. Preis: 1 Hase; 4. Preis: 1 Hahn; 5. Preis: 1 Schwartenmagen; 6. Preis: 12 Eier)
- 1 „volkstümliches Wettturnen“ (mit Tanz)
- Teilnahme am Kreisturntag (z.B. Aschaffenburg)
- Teilnahme am Gauturntag
- Gauwanderung (an Christi Himmelfahrt) mit Wettkämpfen
- Teilnahme an den Reichsjugendkämpfen
- „Abturnen“ mit folgenden Aufgaben:
-- Schüler: Übungen an Reck – Barren – Pferd und Freiübung
-- Zöglinge: an 2 Geräten jeweils Pflicht und Kür, Freiübungen, Freiweit, Freihoch und Kugelstoßen
-- Aktive: Schauturnen
-- Altersriege: Schauturnen
anschließend: Ausklang im Vereinslokal „Zur Krone“
Damit fanden auch mehr und mehr die „volkstümlichen Disziplinen“ Eingang in das Turngeschehen: Stabhoch, Freihoch, Freiweit, Kugelstoßen, 50 und 100 m Lauf, Speer, Diskus, Schleuderball.
Auch das „Abturnen“ wurde durch die Verbindung mit der Durchführung der Vereismeisterschaften aufgewertet, zumal der dazu geschaffene gesellschaftliche Rahmen (Tanz im Vereinslokal) Anreize bot.
Andererseits waren die Trainingsmöglichkeiten in den unmittelbaren Nachkriegsjahren durch Platzprobleme eingeschränkt. Es standen der Schulhof, die Turnhalle und der sog. „Juxplatz“ zur Verfügung, den man aber mit dem Fußballverein „Viktoria“ teilen musste. 1923 wurde eine Regelung gefunden: Der Turnverein konnte den Platz montags, donnerstags und samstags nutzen. Dafür erhielt die Viktoria 1000 RM pro Spiel (Inflationszeit), der Eintritt für ein Handballspiel lag bei 100 RM.

50 Jahre Turnverein

Vom 27. – 29. Juni 1925 stand Sindlingen ganz im Zeichen des Fests zum 50-jährigen Jubiläum des Turnvereins, verbunden mit einem Gau-Turnfest des Untertaunus – Gaues. Damit wurden langwierige Vorbereitungen abgeschlossen, die bereits im Januar 1924 mit der Konstituierung der einzelnen Arbeitsausschüsse in Angriff genommen worden waren. Die Wirtschafts-, Bau-, Finanz-, Empfangs- und Festausschüsse nahmen ihre Arbeit auf, die bis ins letzte Detail die Festabfolge vorbereiteten. So erhielt z.B. jeder eingeladene Verein einen Fragebogen zugesandt, in dem nach der Zahl der Teilnehmer, der Art der Anreise (Bahn, Wagen,Fuß), der Anzahl der benötigten Quartiere für Menschen und Stallungen für Pferde gefragt wurde.
Die Festleitung hatten Andreas Reitz (1. Vorsitzender), Josef Schmitt (Ehren-Turnwart), Heinrich Hess (Schriftführer), Jakob Henrich (1. Turnwart), Peter Neuser (1. Kassenwart), Georg Burkardt (2. Turnwart) und andere in den Händen.
Kurz vor dem eigentlichen Fest wurde dann noch binnen weniger Wochen ein Ehrenausschuss ins Leben gerufen, der einige Sindlinger Honoratioren umfasste: u.a. Frau von Meister, die Pfarrer Steinmetz und Weber, der Ortsvorsteher Müller, der Arzt Dr. Weber, Rektor Althen,  usw.
Als Vorfeier führte der Turnverein am 22. März das Festspiel „Die Entstehung der Leibesübungen“ im Saalbau „Zur Krone“ auf. Das Programm bestand in einem Längsschnitt zur Geschichte des Turnens. So wurden aus der „Griechenzeit“ die „Olympischen Spiele“ als lebendes Bild und ein „Reigen der Griechinnen“ vorgestellt, ehe aus der „Römerzeit“ ein Gladiatorenkampf und aus der „Germanenzeit“ die „Schlacht im Teutoburger Wald“ folgten. Mit einem Laufreigen der Jahn’schen Zöglinge und der Verhaftung Jahns endete der 1. Teil, ehe nach einer Pause das „Turnen der Jetztzeit“ incl. einer Huldigung Jahns präsentiert wurde.
Am 21. Juni 1925  wurden die Feierlichkeiten mit einer Gedenkfeier für die verstorbenen und gefallenen Mitglieder des Vereins um 10 Uhr in der evangelischen und in der katholischen Kirche fortgesetzt. Anschließend zog man auf den Friedhof zur Gedenkfeier, wo die Ortsgeistlichen jeweils eine Ansprache hielten.
Am Samstag, dem 27. Juni  standen dann auch die ersten sportlichen Wettkämpfe auf dem Programm. Um 17 Uhr wurde das Gau-Wettschwimmen im Main gestartet, bevor am Abend am 20 Uhr ein bunter Kommers folgte, bei dem der damalige Vorsitzende Andreas Reitz die noch lebenden Gründer des Vereins ehrte: Reinhard Noll, Matthias Sittig, Peter Sittig, Peter und Ludwig Weiss, Georg Kremer und Franz Karell. Insgesamt 19 Programmpunkte wurden dabei absolviert, eine Mischung aus Musik, Reden und sportlichen Darbietungen der Radfahrer, Schwimmer und Turner.

Am nächsten Tag waren dann fast alle Sindlinger Vereine an den Festlichkeiten beteiligt: Insgesamt 24 Orts-Vereine (ca. 200 Personen) präsentierten sich bei dem Festzug am Sonntag, gefolgt von ca. 25 befreundeten Turnvereinen (ca. 350 Personen) aus der Region. Die meisten heimischen Vereine (z.B. Radfahrer-Verein „Germania“, die Gesang- und Sortvereine) existieren noch heute, andere haben sich dagegen vor etlichen Jahren schon aufgelöst (z.B. der Athletik-Sportklub, der Amateuer-Photographen-Verein, der Brieftauben-Klub, die „Humoristischen Musikgesellschaften „Heiterkeit“ und „Fidelio). Der Festzug nahm folgenden Verlauf: Vom Bahnhof durch die Bahnstraße, Hofheimerstraße (heute Westenbergerstraße) , Meisterstraße, Mainzer Landstraße (Farbenstr.), Schulstraße (Allesinastraße) , Okriftelerstraße, Verbindungsstraße (Horles), Weinbergstraße, Hauptstraße (Huthmacherstraße) , Neugasse (Alt-Sindlingen) zum Festplatz. Dabei bildete dieser Zug nur einen von zahlreichen Höhepunkten, die diese Festtage schmückten.
Der Sonntag begann bereits um 5 Uhr in der Frühe mit einem musikalischen Weckruf, ehe um 7 Uhr der Zwölfkampf und das Jugendturnen auf dem Festplatz am Main stattfanden. Um 10 Uhr folgten dann die Altersturner und die Turnerinnen. Ab 13.30 Uhr zog sich dann der oben erwähnte Festzug durch die Sindlinger Straßen, bevor im Anschluss daran sich weitere Turnübungen der Volksturner und Gauriegen auf dem Festplatz anschlossen. Nach dem Sport endete dieser Tag mit einem Volksfest mit Tanz.
Auch der Montag war noch ganz dem Vereinsfest gewidmet: ab 9 Uhr der musikalische Frühschoppen mit dem Turnen der Altersriege, am Nachmittag dann ein Kinderfestzug von der Turnhalle zu Festplatz. Dort waren Spiele für die Jugend vorbereitet.

Das Gauturnfest wurde auch zu einem großen finanziellen Erfolg, der es dem Verein gestattete, nun endlich an die Realisierung seines lange gehegten Planes, nämlich an die Beschaffung eines eigenen Turnplatzes zu denken. Durch die gelungene Aufbauarbeit der Turnwarte Jakob Henrich und Philipp Becker waren die Jugend- und Schülerabteilung so stark angewachsen, dass der Turnplatz am Main den Anforderungen längst nicht mehr genügte. Nach langem Suchen konnte an der Farbenstraße ein Grundstück von etwa 2200 Quadratmetern Größe gekauft werden. Von dem Kaufpreis von 11000 Goldmark konnte man nur etwa 4000 Mark bar bezahlen,  der Rest musste als Darlehen finanziert werden. Der Initiative des leider allzufrüh verstorbenen Turnbruders Peter Neuser war es zu danken, dass dieser Betrag aufgebracht und darüber hinaus ein schmuckes Turnerheim erstellt werden konnte. Hierbei haben sich insbesondere die Turnbrüder Erich Fuhrmann, Fritz Reitz, Emil Stiehl und Julius Best hervorgetan.

Die Zuspitzung der politischen Verhältnisse in Deutschland führte 1933 zur »Machtübernahme«. Gemäß der Doktrin des Nationalsozialismus wurden die Vereine gleichgeschaltet und Mitglied im neu entstandenen, vom Reichssportführer zentral geleiteten „Deutschen Reichsbund für Leibesübungen (DRL)“, der 1938 in „Nationalsozialistischer Reichsbund für Leibesübungen“ umbenannt wurde. Auch im Turnverein ging das Vereinsleben immer mehr zurück. 1935 kam es noch einmal zu einem kurzen Aufflackern. Im Zuge der Gleichschaltung war der Turnverein aus dem Untertaunusgau herausgenommen und dem Kreis Frankfurt angegliedert worden. Anlässlich des 60jährigen Bestehens wurde der Verein mit der Durchführung des Jugendturnfestes des Kreises Frankfurt beauftragt. Mehr als 2000 Jungen und Mädchen maßen sich im Wettkampf auf dem Festplatz am Main. Mit dem Junioren Karl Wolpert konnte der TVS im Geräteturnen den 2. Sieger und mit Karl Kreher im leichtathletischen Dreikampf unter stärkster Beteiligung den 3. Sieger stellen.
Der Hitlerstaat gliederte das Sportwesen konsequent in sein politisches System ein und schaltete es gleich. Turnen und Sport bekamen in der nationalsozialistischen Ideologie eine Schlüsselposition, die durch eine neue Struktur und einen erweiterten Stellenwert gekennzeichnet war. Kämpferische Charaktereigenschaften wie Mut, Härte, Willensstärke, Disziplin, Gemeinschaftsbewusstsein und Durchsetzungsvermögen wurden als Zielsetzungen überhöht, um die männliche Jugend auf den Krieg vorzubereiten. Ähnliche Motive galten auch für die Mädchen und Frauen, die durch planmäßige Körperertüchtigung zu gesunden, widerstandsfähigen und gebärfreudigen Müttern geformt werden sollten.
Die folgenden zehn Jahre waren gekennzeichnet durch den allmählichen Niedergang im Vereinsleben, das schließlich mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zum völligen Zusammenbruch kam.

Die Freie Turnerschaft Sindlingen
Parallel zum „Deutschen Turner-Bund“ entwickelte sich ab dem Jahre 1893 der „Arbeiter-Turnbund“ (ATB), der sich als Dachverband der Arbeiterturnvereine verstand. Auch in unserem Heimatbezirk wurden vielerorts Arbeiterturnvereine ins Leben gerufen. In unserer Gemeinde waren es die Gebrüder Berschneider, Jakob Nied und Hans Weber, die 1910 im Gasthaus „Zur Eisenbahn“ die „Freie Turnerschaft Sindlingen“ gründeten. Zum ersten Vorsitzenden wurde Hans Weber gewählt, der dieses Amt bis zum Jahre 1925 innehatte. Der Verein erhielt schon in den ersten Jahren starken Zustrom sowohl sportbegeisterter als auch politisch interessierter Mitbürger. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges kam auch in der Freien Turnerschaft das Vereinsleben völlig zum Erliegen. Am Ende des Krieges konnte Hans Weber zusammen mit seinen Mitarbeitern Jakob Nied, Hermann Gebhardt und den Gebrüdern Bocklet einen raschen Wiederaufbau des Vereins vollziehen. Der Turnbetrieb wickelte sich vorwiegend in der Turnhalle der Meisterschule ab. Mit dem Sportplatz am Main, der mit dem städtischen Gesundheitsplatz gekoppelt war, stand ihm vor allem für den leichtathletischen Übungsbetrieb eine weitere gute Trainingsstätte zur Verfügung. Ausgezeichnete Turner und Leichtathleten sind aus den Reihen der Sindlinger Freien Turner hervorgegangen: Jakob Nied, Alfred Bocklet, Hans Pfahler und Willi Kummer im Geräteturnen und Georg Stern, Willi Nestrachil und Fritz Streicher in der Leichtathletik waren Namen, die in sportlich interessierten Kreisen überall nur mit großer Hochachtung genannt wurden. Darüber hinaus verfügte der Verein über eine leistungsstarke Turnerinnenabteilung, in der sich vor allem Leni Nied, Hedi Maleika, Mariechen Schipper und die Schwestern Mariechen und Milchen Weiland durch ihr großes Können hervortaten.
Durch die Initiative von Hans Bocklet, der 1926 zum 1. Vorsitzenden gewählt worden war, konnten die Freien Turner 1927 aus eigenen Mitteln und mit städtischen Zuschüssen neue Turngeräte anschaffen. Dies trug sehr zur Leistungssteigerung der Aktiven bei.
Der Anfang der zwanziger Jahre aufgestellte 18 Mann starke Spielmannszug erreichte unter der vorzüglichen Stabführung von Herrn Hofmann, Sossenheim, ein hohes Niveau. Seine musikalischen Darbietungen anlässlich der Einweihung des Frankfurter Waldstadions im Jahre 1925 wurden mit rauschendem Beifall bedacht.
Höhepunkte im Vereinsleben der Freien Turnerschaft waren die Teilnahme am Bundesfest des Arbeiter-Turn- und Sportbundes 1928 in Nürnberg, wo die 45 Mitglieder starke Delegation gute sportliche Erfolge erringen konnte, und ein Jahr später die Beteiligung an der Arbeiter-Olympiade in Wien. Auch hier war der Verein mit einer fast ebenso starken Abordnung vertreten. Beide Ereignisse trugen viel zum zahlenmäßigen Anwachsen und zur Festigung der familiären Bindungen in der Gemeinschaft der Freien Turner bei.
1929 wurde eine Handballabteilung gegründet. Da es sich bei den Spielern fast ausnahmslos um bisherige gute Leichtathleten handelte, konnten bald zwei sehr leistungsstarke Mannschaften aufgestellt werden, die im heimischen Handball eine sehr gute Rolle spielten. Der stetige Aufschwung in allen Bereichen des sportlichen und geselligen Lebens im Verein wurde 1933 jäh unterbrochen. Wie alle Vereine des Arbeiter-Turn- und Sportbundes wurde auch die Freie Turnerschaft als Gegner des Regimes aufgelöst. Die vorhandenen Geräte wurden von den Behörden dem „Turnverein 1875“ und dem Zeilsheimer Athletik-Sportklub in Verwahrung gegeben. Alle Schriftberichte, Kassenbücher und wichtige Dokumente, die uns heute noch weitere Einzelheiten über das Vereinsgeschehen von 1910 bis 1933 geben könnten, wurden aus begreiflichen Gründen vernichtet.
Von den Mitgliedern entschloss sich ein Großteil zum „Turnverein 1875 Sindlingen“ überzutreten.

Der gemeinsame Weg nach 1945

Das Ende des Zweiten Weltkrieges hatte mit dem totalen politischen und gesellschaftlichen Zusammenbruch auch jegliches Vereinsleben völlig ausgelöscht. Erst allmählich wurde der Ruf nach neuer turnerischer und sportlicher Betätigung wieder laut. Ende 1945 taten sich Angehörige des ehemaligen Turnvereins und der früheren Freien Turnerschaft in unserer Gemeinde zusammen, um das turnerische und sportliche Leben wieder in Gang zu bringen. Andreas Reitz, Philipp Becker, Alfred Bocklet und Hermann Gebhardt ist es vor allem zu danken, dass bald wieder ein geregelter Übungsbetrieb durchgeführt werden konnte.
1946 hatte man die Vereinstätigkeit als Abteilung Turnen, Leichtathletik und Handball im Rahmen der neu gegründeten „Sportgemeinde Sindlingen“ wieder aufgenommen, da nach Kriegsende zunächst alle Turnvereine von den Besatzungsmächten verboten worden waren. Alle Sport treibenden Sindlinger Vereine (neben dem „Turnverein“ noch der Fußballclub „Viktoria“, der Kanuclub „Romer“, der Radfahrerverein „Germania“ und der 1. Sindlinger Schwimmclub) hatten sich als Abteilungen in der „Sportgemeinde“ zusammengeschlossen. Durch den Vorstand der SG waren unter Leitung des damaligen 1. Vorsitzenden Johann Sittig Satzungen ausgearbeitet worden, die zum Ziele hatten, künftig die Abteilungen der SG zwar unter ihren früheren Vereinsnamen zu führen, die Sportgemeinde selbst jedoch in das Vereinsregister eintragen zu lassen. Bei einer Abstimmung über diese Satzungen kam es im Frühjahr 1950 zu heftigen Auseinandersetzungen. Von verschiedenen Mitgliedern wurde die sofortige Loslösung aus der SG und die völlige Selbständigkeit im Rahmen des ehemaligen Turnvereins 1875 gefordert. Die Mehrzahl der Mitglieder entschied sich dafür, zwar in der Sportgemeinde zu verbleiben, zumal sich die seitherige Zusammenarbeit als sehr fruchtbringend erwiesen hatte, die Eintragung der SG jedoch zu verhindern und statt dessen für den Turnverein neue Satzungen zu erstellen und ihn unter seinem alten Namen in das Vereinsregister aufnehmen zu lassen. Vor allem ging es darum, eine Aufspaltung des Vereins in die beiden früheren der DT beziehungsweise dem ATUS angehörigen Vereine zu verhindern. Leider erklärten daraufhin einige alte, sehr verdienstvolle Mitglieder ihren Austritt.
Trotz dieser Krise und der gesellschaftlichen Verwerfungen nach dem 2. Weltkrieg brachte das Jubiläumsjahr 1950 einen beachtlichen Aufschwung. In einem Einladungsschreiben zum 75. Geburtstag des Vereins, der vom 22. bis 24.7.1950 gefeiert wurde, brachte der  Vorsitzende Reitz das Selbstverständnis der damaligen Vereinsführung auf den Punkt: „Es ist nicht an der Zeit, rauschende Feste zu feiern, die allgemeine Not nach diesem unseligen Krieg ist dafür zu groß. Wir haben heute aber eine doppelte Verpflichtung: das übernommene Erbe weiterauszubauen und einer in Kriegs- und Nachkriegsjahren haltlos gewordenen Jugend Weg und Richtung zu weisen.“ Das Fest selbst wird den Beteiligten immer in Erinnerung bleiben. Wie in früheren Jahren nahmen die Sindlinger Mitbürger, vor allem die Gesangvereine und die Sportler, an dem Ereignis regen Anteil. Die von den Jubiläumsveranstaltungen ausgehenden Impulse brachten eine Belebung in allen Bereichen des Vereinslebens.
 

Das Fest zum 75-jährigen Jubiläum

Das Vereinslokal „Zur Krone“ war bis auf den letzten Platz besetzt, als der Vorsitzende Andreas Reitz die Gäste beim Festkommers anlässlich des 75-jährigen Vereinsjubiläums am 22. Juli 1950 begrüßte. Umrahmt von musikalischen Beiträgen der „Meenzerhofgesellschaft“,  der „Germania“, der „Sängerlust“ und des Sängerquartetts „Arion“, des Harmonikaklubs und der Kapelle „Rhythmus“ zeigten sowohl Mitglieder des Turnvereins als auch des Radfahrervereins „Germania“ Teile ihres sportlichen Könnens. Hans Kowald (Hessischer Turnverband), Hans Geroldstein (Turnkreis Frankfurt) und Stadtrat Brisbois (in Vertretung des verhinderten Oberbürgermeisters Kolb) hielten die Festreden, in denen die „ruhmreiche Tradition der Sindlinger Turner“ (so das HK am 24.7.50) herausgestellt wurde. Als Jubilare wurden gefeiert: Andreas Nägler und Johann Blisch (50 Jahre Mitgliedschaft), Jakob Henrich, Georg Burkhardt, Lorenz Hescher und Andreas Reitz (40 Jahre).
Die sportlichen Aktivitäten beschränkten sich auf ein Faustball- und ein Handballturnier, die am Sonntag (23. Juli 50) auf dem Sportplatz am Main ausgetragen wurden. Trotz ungünstiger Witterung konnten die Wettbewerbe planmäßig durchgeführt werden. Auf vier Feldern wurde am Vormittag in 2 Gruppen Faustball  gespielt (jeweils zweimal 15 Minuten). Lorsbach siegte schließlich souverän gegen Nied. Beim Handball (nach Hallenregeln) siegte Hattersheim mit 4:1 über Grünweiß Frankfurt. Die Veranstaltung wurde durch turnerische Einlagen und ein Lehrspiel der Kelkheimer Faustballer aufgelockert.
Der Tag schloss mit einem Festball im Vereinslokal „Zur Krone“. Bis 2 Uhr morgens wurde getanzt, ehe sich am folgenden Morgen der Frühschoppen anschloss. Am Nachmittag wurde das Fest mit einem volkstümlichen Nachmittag auf dem Sportplatz fortgesetzt: ein Kinderfest mit Eierlauf, Sackhüpfen und Wurstschnappen einerseits, andererseits ein Faustballtraditionsspiel mit Johann Sittig, Andreas Reitz, Heinrich Krämer, Anton Glatt, Philipp Becker, Adam Reitz, Fritz Reitz, Fritz Stein, Eisen, Karl Wehner und Alois Distel. Die Mannschaften trennten sich 29:29 unentschieden; damit blieb die Feststimmung sicherlich ungetrübt!
Die Damen des Vereins trafen sich unterdessen zu „lustigen Gymnasitikübungen“, ehe das Fest abends in der „Krone“ gemeinsam ausklang.

Die detaillierte Abrechnung dieses Fests ergab dann einen erfreulichen Einnahmeüberschuss von 1883 DM (2784 DM Einnahmen, davon 2190 DM Spenden und Ehrenausschuss; 901 DM Ausgaben).

Noch im Jahre 1950 erweiterte sich das Vereinsangebot durch die Gründung einer Tischtennisabteilung. Eine im Januar 1952 ins Leben gerufene Frauengymnastikabteilung bekam so starken Zulauf, dass der Übungsraum bald zu klein wurde.
Aber auch das Leid blieb dem Verein nicht erspart. Nach langer Krankheit verstarb Andreas Reitz, der sich jahrzehntelang, sei es als 1. Kassierer, sei es später als 1. Vorsitzender große Verdienste um den Verein erworben hatte. Im Dezember 1951 wurde er unter starker Anteilnahme aus allen Kreisen der Sindlinger Bevölkerung zu Grabe getragen. Sein Amt war bereits in der Jahreshauptversammlung im April 1951 dem bisherigen 1. Schriftführer Karl Faulstich übertragen worden. Ihm standen zur Seite:
2. Vorsitzender: Hans Scheh
Oberturnwart Philipp Becker (bis 1956)
Abteilungsleiter Handball: Karl Wehner
Jugendwart: Willi Debus, ab 1953 Adam Schieferstein, 1955 Herbert Bacher
Das in den Nachkriegsjahren verwüstete Turnerheim an der Farbenstraße wurde in den Jahren 1951/52 von der Handballabteilung unter der Leitung von Karl Wehner renoviert und wieder funktionsfähig gemacht. Am Totensonntag des Jahres 1952 errichtete der Verein  auf dem Turnplatz an der Farbenstraße ein Ehrenmal. Dabei handelt es sich um einen riesigen Findling aus dem Taunus mit einer den Toten des Vereins gewidmeten Gedenktafel aus Kupfer. Fritz Reitz übernahm dafür die gärtnerische Einbindung.
Im gleichen Jahr gab sich der Verein auch ein neues Wappen: der „Sindlinger Kreppert“ auf goldenem Grund mit roter Umrandung kennzeichnete die Sindlinger Turner.
Die Protokolle der fünfziger Jahre durchzieht die Klage über die „Passivität der Jugendlichen“: Finanzielle Einbrüche bei Fastnachtsveranstaltungen, geringe Teilnahme an Mitgliederversammlungen. (Mitgliederzahl ca. 380) „Wir müssen wohl oder übel mit der Zeit gehen und uns mit der Gegenwart abfinden, die jeglichem Vereinsleben große Widerstände entgegensetzt. Die Interessenlosigkeit ist eben eine Zeiterscheinung.“ (Karl Faulstich auf der JHV 1954). Dabei sah der Vorsitzende zwingenden Erneuerungsbedarf gerade bei den Turnern: „Wir haben bisher immer noch zu sehr an der Form des starren Geräteturnerns festgehalten. Die Turnstunden müssen noch mehr aufgelockert werden, noch mehr Spiel und Bewegung müssen eingeschaltet werden.“
Die Instandhaltung des Turnplatzes wurde von Jahr zu Jahr schwieriger und kostspieliger. Immer wieder wurden das Dach, Fenster und Türen und die gesamte Inneneinrichtung durch Unbekannte demoliert. Das Vereinsleben wurde aber außerdem auch durch Schließung der Säle in den Gaststätten empfindlich gestört: 1957 schloss mit dem „Mainzer Hof“ die letzte noch in Sindlingen verbliebene Gaststätte mit einem geräumigen Saal ihre Pforten. Damit war für größere Vereinsveranstaltungen kein Raum mehr vorhanden. So betonte Karl Faulstich auch bei der Grundsteinlegung des „Bürgergemeinschaftshauses“ am 1. Oktober 1960: „Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Raumnot in Sindlingen die Entwicklung unserer Vereine stark gehemmt hat. Fast alle großen traditionellen Veranstaltungen unserer Vereine sind ihr zum Opfer gefallen, das gesamte kulturelle Leben in unserer Gemeinde hat unter ihr gelitten. Umso mehr sind wir dem Bauverein zum Dank verpflichtet, dass er sich die Hauptsorge der Sindlinger Vereine zueigen gemacht hat und mit der Errichtung dieses Bürgergemeinschaftshauses die Möglichkeit schafft, dass sich die Vereine wieder frei entfalten können.“ Aber schon wenige Jahre nach der Einweihung (1962) klagte die „Saalbau GmbH“, dass „von den zahlreichen Vereinen und Organisationen bislang nur wenige echten Gebrauch von dieser Einrichtung gemacht haben.“ Das Haus konnte auf geselligem Bereich die Hoffnungen nicht erfüllen. Dabei unternahm die Vereinsführung durchaus Versuche, sich in diesem Bürgergemeinschaftshaus zu engagieren. Aber die gemeinsamen Kostümfeste von Karneval- und Turnverein, die sog. „KATU TUKA-Bälle“ (ab 1978) fanden in der Bevölkerung nicht die erwartete Resonanz, so dass sie bald wieder aus dem Programm genommen wurden.
Dem mit den Jahren auf rund 400 Mitglieder angewachsenen Turnverein blieb angesichts der Raumprobleme nichts anderes übrig, als das Schwergewicht des Vereinslebens auf die Abteilungen zu verlegen, was sich schon längere Zeit vorher angedeutet hatte.  Dies wiederum tat dem Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Mitgliedern Abbruch.
Mit dem Rücktritt des so verdienstvollen Oberturnwartes Philipp Becker traf den Verein Anfang 1959 ein weiterer Schlag. Karl Faulstich übernahm nun auch noch die Arbeit des Oberturnwartes, für den erst 1962 mit dem Leiter der Turnabteilung, Günther Stieglitz, Ersatz gefunden werden konnte. Für die Betreuung der Schüler, Schülerinnen und Jugendlichen stellten sich Sissi Faulstich und Fritz Reitz jun. zur Verfügung. Im Frühjahr 1961 musste schließlich auch noch die einzig verbliebene Turnhalle der Meisterschule, wegen notwendiger Renovierungsarbeiten geschlossen werden. Damit wurde die gesamte sportliche Betätigung im Verein schwer beeinträchtigt. Nach eineinhalbjähriger Verbannung in die Enge des Turnerheims für die Turn- und die Gymnastikabteilung, in den kleinen Saal des »Frankfurter Hof« für die Tischtennisabteilung, und in die Turnhalle der Adolf- Reichwein-Schule in Zeilsheim für die Handballer, konnte erst am 1. Oktober1962 der Übungsbetrieb in der Turnhalle der Meisterschule wieder aufgenommen werden, wenn auch unter äußerst erschwerten Bedingungen. Ein Übungsabend in der Woche musste an den Radfahrverein abgegeben werden, der früher im »Mainzer Hof« trainiert hatte. Die Trainingsstunden des Turnvereins wurden so auf ein Minimum eingeschränkt, obwohl die Nachfrage nach sportlichen Aktivitäten in der Bevölkerung – zumindest bei den Kindern - in den sechziger und siebziger Jahren deutlich zunahm, wie man an der Entwicklung der Mitgliederzahlen ablesen kann:
 

In dieser misslichen Situation stand der Verein lange Jahre: Der Übungs- und Spielbetrieb war z.T. über das gesamte Stadtgebiet verteilt.
Hinzu kam der ständig zunehmende Mangel an Übungsleitern, um der wachsenden Nachfrage gerade im Kinderturnen Herr zu werden.
Das 90jährige Bestehen des Vereins im Jahre 1965 konnte eben wegen dieser Umstände nur in kleinem Rahmen gefeiert werden. Damals startete der Verein erstmals eine sog. „Sportwerbewoche“, die über mehrere Tage hinweg sportliche und gesellige Veranstaltungen bot:
Sonntag, 27.6.65:  11 Uhr Totenfeier
   13.30 Uhr Faustballturnier
Montag:   Öffentliche Turnstunde und Fußballspiel Handball gegen Tischtennis
Dienstag:   Faustballspiele
Mittwoch:   Tischtennis, Handball und Kaffeekränzchen der Frauen
Donnerstag:   Handball
Freitag:   Leichtathletik und Tischtennistuirnier
Samstag:   Leichtathletik für jedermann; Tischtennis- und Handballturnier; abends Jubiläumstanz im Bürgergemeinschaftshaus
Sonntag:   Handballturnier, abends Familienfeier im Gasthaus „Zum Stern“

Am 20.9.1971 musste der Verein erneut einen schweren Verlust hinnehmen, das Turnerheim fiel einer  nicht geklärten Brandstiftung zum Opfer. Für die Mitglieder des Vereins war dieses Heim mehr als 40 Jahre lang eine Stätte turnerischen Lebens gewesen. Ein Stück Tradition des Vereins war damit zunächst ausgelöscht.
Ein weiterer Schicksalsschlag traf den Verein ein Jahr später. Im Juli 1972 verstarb plötzlich und unerwartet der 2. Vorsitzender Hans Scheh, der sich in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg um den Wiederaufbau des Vereins außerordentliche Verdienste erworben hatte.
Mit dem Bau der Grundschule am Paul- Kirchhof-Platz wurde auch eine zweite Turnhalle für die Gemeinde Sindlingen erstellt. Für den Turnverein bot sich damit nur eine geringfügige Besserung in der Jahrzehnte währenden Raumnot. Die zugewiesenen Trainingsabende in der neuen Halle reichten aber nicht aus, um der bisherigen Misere in der Handballabteilung ganz zu begegnen. Zwar konnten die Schüler- und Jugendgruppen der Handballer in die neue Turnhalle einziehen, die Herrenmannschaften mussten jedoch nach wie vor ihre Trainingsstunden in der Helene-Lange-Schule abhalten.

Die Festwoche des Turnvereins zum 100 jährigen Jubiläum

Eines der größten Feste, die Sindlingen je erlebt hat, war sicherlich das 100jährige Jubiläumsfest des Turnvereins vom 25. Mai bis zum 2. Juni 1975. Wie der damalige Schirmherr Erhard Bouillon in der Festschrift betonte, war es in der Tat „ein Ereignis für alle Sindlinger – über den Kreis der Mitglieder hinaus“. Unter der Leitung des 1. Vorsitzenden Karl Faulstich hatte der Verein ein groß dimensioniertes Fest vorbereitet. Allein 50 Ehrengäste und ca. 600 Ehrenausschuss-Mitglieder verweisen auf die Bedeutung dieser Veranstaltung.
Die vorbereitenden Festausschüsse setzten sich wie folgt zusammen:
- Schrift und Werbung: Rolf Pickel, Paul Sender, Michael Sittig
- Finanzen: Arno Brunnhöfer, Heinz Kaiser
- Bau: Bodo Erbe, Werner Gerlach, Manfred Marscheider, Hans Scherf
- Wirtschaft: Alfons Schmidt, Friedrich Weber
- Programmgestaltung: Manfred Bocklet, Dr. Hans Brunnhöfer, Karl Faulstich, Manfred Marscheider, Maria Ostheimer, Mädi Schmidt und Günther Stieglitz
Traditionell begann die Festwoche mit Gottesdiensten in der katholischen und in der evangelischen Kirche, an die sich die Totenehrung auf dem Friedhof anschloss.
Am Freitag, dem 30. Mai, folgte dann der Festkommers im Festzelt am Main, unter Mitwirkung der Ortsvereine (ein Gemeinschaftschor der Gesangvereine „Arion“, “Germania“, “Meenzerhofgesellschaft“ und „Sängerlust“, dem Harmonika-Orchester unter Alfred Geisel, der Garde des 1. Sindlinger Karnevalvereins) und einer Riege des Turngaus Frankfurt. Anschließend war Tanz mit der Kapelle „Maingold“ angesagt.
Der sportliche Teil beschränkte sich in der Festwoche auf ein Handballspiel zwischen TV Sindlingen und dem Sportklub „Chateau-Chinon“ auf dem Sportplatz „Am Kreisel“. Vor über 250 Zuschauern endete übrigens das Spiel 16 : 15 für die Jubiläumsmannschaft (Villmeter, Sittig, Weikum, Schmidt, Blume, Tinkl, J. Bocklet, Ochs, Maldaner, Fribolin, Schmoll, Hochhaus).
Doch bereits am Abend stand der „Große Bunte Abend“ auf dem Programm, mit den Sängern Tony Marshall und Tina York, dem singenden Jongleur und Meisterjodler Rolly Brandt und den Artisten Gitta Cennet und Lille Rolf. Jonny Buchardt führte damals stimmungsvoll durch die Darbietungen, die ein 3000-Personen-Zelt bis auf den letzten Platz füllten und zum Jubeln brachten.
Am nächsten Morgen standen turnerische und musikalische Leistungen auf dem Programm, die alle im Festzelt durchgeführt wurden. Am Nachmittag folgte dann ein großes Kinder- und Volksfest (incl. Ballonwettflug), ehe am Abend das Tanzorchester des Hessischen Rundfunks unter Georg Glas für ausgelassene Stimmung sorgte,
Den vorläufigen Abschluss bildete der Frühschoppen am Montag Morgen, mit Manfred Haar als Conferencier, Benny Maro als Sänger und den „Rhöntalern“ als Musikgruppe.
In der Woche vom 23. – 31. August folgten dann zum Abschluss des Jubiläumsjahres die sportlichen Wettbewerbe im Rahmen einer Sportwerbewoche.
 
 

Die TVS Entwicklung nach 1975

Eine feste Einrichtung ist seit dem Jubiläumsjahr die „Sportwerbewoche“, die alljährlich – wenn auch inzwischen mit leichten Abänderungen – in der Woche nach Pfingsten durchgeführt wird.  Als Beispiel möge hier das Programm für das Jahr 1982 dienen:
Dienstag, 1.6.:  Wäldchesfest im Turnerheim
Mittwoch, 2.6.: Kleinfeldfußballturnier der Sindlinger Ortsvereine auf dem Sportplatz am
Kreisel
(Dieses Turnier wird seit 1998 nach einigen unschönen Zwischenfällen nicht mehr durchgeführt)
Donnerstag, 3.6.: Bunter Rasen: Übungsstunden aller Abteilungen und Gruppen auf dem
   Sportplatz: Turnen, Handball, Volleyball
20 Uhr: Jugend-Disco im Turnerheim
Freitag, 4.6.:  Leichtathletische Wettkämpfe der Schüler und Schülerinnen auf dem Sportplatz
                     Tischtennisspiele in der Meisterschule um den Karl-Faulstich-Pokal
                     abends: Gemütliches Beisammensein im Turnerheim
Samstag, 5.6. Kleinfeldhandballspiele der Damen und Herren/weibliche Jugend/männliche
          Jugend
                      abends: Gemütliches Beisammensein mit Musik und Tanz im Turnerheim
Sonntag, 6.6.: Volkstümlicher Wettkampf der Ortsvereine
                      14 Uhr: Volleyball-Mixturnier
                      19 Uhr: Siegerehrung für den volkstümlichen Wettkampf und anschließend
gemütliches Beisammensein

Ursprünglich wurden die sportlichen und gesellschaftlichen Veranstaltungen auf dem Sportplatz „Am Kreisel“ und im „Viktoriaheim“ durchgeführt, nach Aufarbeitung der Außenanlagen und Ausbau des Turnerheims jedoch wieder auf vereinseigenem Gelände.

Nur in Jahre 1991 wurde nach dem Fall der Mauer bei der Sportwerbewoche von dem traditionellen Ablauf abgewichen. Im Mittelpunkt stand nämlich der Besuch von 5 Mannschaften in den Sportarten  Handball, Tischtennis und Volleyball aus dem sächsischen Mittweida und Grünlichtenberg, die mit 70 Personen für 3 Tage Gäste des Vereins waren. Es gab ein buntes Veranstaltungsprogramm, von Besichtigungen über sportlichen Wettstreit bis hin zu feuchtfröhlichen Abenden im Turnerheim.

Diese Aktivitäten hatten auch ausgesprochen  positive Einflüsse auf die Mitgliederzahl. Während im Jubiläumsjahr der Verein 450 Mitglieder umfasste, stieg die Zahl zu Beginn der 80iger Jahre auf rund 650 Personen an. Erheblich dazu beigetragen hat auch die Gründung einer Volleyball-Abteilung durch Michael Sittig im Jahre 1978, die sich in den Folgejahren prächtig entwickelte.

In diesem Jahr trat der langjährige Vorsitzende Karl Faulstich von seinem Amt zurück, das er seit 1958 begleitet hatte. Er hatte sich über viele Jahrzehnte für seinen Verein mit vollem Engagement eingesetzt, er hatte dem TVS – besonders in schweren Jahren – ein Fundament geschaffen, ohne das der Verein bei weitem nicht seine Stärke hätte erreichen können. Für seine aufopfernde ehrenamtliche Tätigkeit wurden ihm viele Ehrungen zuteil, u.a. wurde er 1978 auf Vorschlag seines Nachfolgers im Amt des 1. Vorsitzenden, Manfred Bocklet, zum Ehrenvorsitzenden ernannt, 1994 erhielt er den Ehrenbrief des Landes Hessen.
 

1979 wurde das Mutter- und Kind-Turnen mit großem Erfolg von Günther Stieglitz aus der Taufe gehoben. Dieses Angebot ist auch im Jahre 2000 nicht aus dem Turnangebot des TV Sindlingen wegzudenken. Über diese Veranstaltung wird ein erheblicher Teil der Neumitglieder gewonnen. Die Betreuung wurde dann von Anneliese Thum und später von Renate Geißler fortgeführt. Seit vielen Jahren kümmert sich Ingrid Sittig, teilweise unterstützt durch Monika Winter, mit großem Engagement um die kleinsten Vereinsmitglieder.

Seit 1979 ist auch ein Dankeschön-Abend für alle Übungsleiter und Helfer in den Abteilungen und dem Gesamtverein eine traditionelle Veranstaltung. Ein solcher Abend soll nicht nur die engagierten Helfer, ohne die ein Verein nicht existieren kann, zusammenführen, sondern soll Dank und Anerkennung für die geleistete Arbeit in unserem Verein ausdrücken.

Die achtziger Jahre

Im Jahre 1978 übernahm Günther Stieglitz zusammen mit Manfred Bocklet (bis 1982) und Arno Brunnhöfer (bis 1984) die Leitung des Turnvereins. In den Folgejahren fungierten Albrecht Fribolin (1982 –1984), Walter Schmoll (1984 – 1985), Wilfried Kastner (1985 – 1988) und erneut Karl Faulstich (1988 – 1990) jeweils als 2. Vorsitzende. Die Kassenführung wurde 1984 von Alfons Schmidt begleitet. Ein wichtiges Ziel der  Amtsführung von Günther Stieglitz war, dem Turnverein durch Ausbau des Turnerheims eine Heimstätte für die Durchführung gesellschaftlicher Veranstaltungen zu schaffen. Ein wichtiger Schritt hierfür war der Zukauf zweier angrenzender Grundstücke mit insgesamt 487 m2  von der Hoechst AG im Jahre 1982. Dieser Geländegewinn bot die Voraussetzung für die Erweiterung des Turnerheims und den weiteren Ausbau der bereits bestehenden Sportanlagen auf dem Turngelände. Die Finanzierung der Erweiterung des Turnerheims wurde sorgfältig geplant und in langjähriger Vorarbeit durch Zuschüsse sichergestellt.1982 wurden in Eigenhilfe Erdarbeiten in einer Länge von 105 m für die Verlegung einer Gas-, Wasser- und Entwässerungsleitung sowie für einen Telefonanschluss durchgeführt. Eine wichtige Voraussetzung für die Benutzung der Räumlichkeiten war der Einbau einer modernen Heizung, die noch vor Winteranfang 1983 in Betrieb genommen werden konnte. Bis März 1984 wurden die ehemaligen Geräteräume unter Einbeziehung des zugekauften Geländes zu einem Clubraum, einem Ausschank und einer Küche umgebaut, auch eine Toilettenanlage wurde eingebaut. Ein überdachter und nach außen umbauter Vorbau, der besonders für die Nutzung in den Sommermonaten geeignet ist, komplettierte den Umbau.  Ergänzt wurde die für gesellschaftliche Veranstaltungen hervorragend geeignete Infrastruktur durch eine von Dieter Welz gestiftete  Grillhütte mit zusätzlichen Abstellmöglichkeiten, Ein mit passender Außenfassade versehener Bauwagen ergänzt den bebauten Turnerheimkomplex. All dies geschah in sehr vielen Stunden ehrenamtlicher Tätigkeit, in die alle Abteilungen eingebunden waren. Besonderer Einsatz wurde durch die Trimm-Dich-Gruppe und die Indiaca-Gruppe geleistet.
Diese für einen Verein ausgezeichneten Voraussetzungen für die Durchführung von Veranstaltungen werden intensiv von den einzelnen Abteilungen und dem Gesamtverein in Anspruch genommen. Die Anlage steht sowohl TVS- Mitgliedern als auch anderen Vereinen und anderen Interessenten zur Nutzung zur Verfügung. Betreut wurde das Turnerheim von1978 bis 1996 von Alfons und Mädi Schmidt und danach von Irene und Klaus Dawo. Dieses vorbildliche Betreuungsengagement stellt eine besondere Stärke des Vereins dar.

1982 wurde erstmals auf Initiative von Hans Scherf eine Seniorenfeier durch Mädi Schmidt ins Leben gerufen. Dieses Treffen der Senioren fand sogleich großen Anklang  und ist auch heute noch eine außerordentlich wichtige Veranstaltung im Vereinsleben, nach wie vor von Mädi Schmidt auf unnachahmliche Weise organisiert.

Als 1983 in Frankfurt am Main das Deutsche Turnfest mit 70.000 Teilnehmern stattfand, hatte der TV Sindlingen die Aufgabe, 450 Sportler aus dem Saarland zu betreuen. Die Sportler wurden vom Bahnhof Sindlingen mit einem Spielmannszug durch den Stadtteil zu den Schulen geleitet, in denen die Unterbringung erfolgte. Eine hervorragende Organisation für die Verpflegung der Teilnehmer führte zu freundschaftlichen Banden.

Eine Überarbeitung der Vereinssatzung konnte endlich im März 1984 in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung verabschiedet werden. Diese Satzung war über einen langen Zeitraum Streitpunkt zahlloser Vorstandssitzungen.

Im Rahmen der Sportwerbewoche 1989 fand die Fahnenweihe der neuen Vereinsfahne in der Kirche St. Dionysius unter der Mitwirkung des Arion-Chors statt. Anschließend wurde die geweihte Fahne unter Beteiligung des Spielmannszuges der Freiwilligen Feuerwehr Okriftel und einer großen Zahl von Vereinsmitgliedern zum Turnerheim geleitet. Diese Fahne fand zusammen mit der alten Fahne, die im gleichen Jahr 100 Jahre unseren Verein begleitet hatte, ihren Ehrenplatz im Clubraum des Turnerheims.

Die neunziger Jahre

Im Jahre 1990 trat der gesamte geschäftsführende Vorstand mit Günther Stieglitz, Karl Faulstich und Alfons Schmidt zurück, die den Turnverein über viele Jahre geprägt und mit großem Engagement geführt hatten. Es war nicht leicht, dieses gut eingespielte Team zu ersetzen. Schließlich erklärten sich Prof. Hans Brunnhöfer, Michael Sittig und Thomas Vernaleken bereit, die Geschäftsführung des Vereins zu übernehmen. Günther Stieglitz wurde aufgrund seiner großen Verdienste für 25 Jahre Vorstandsarbeit und 10 Jahre Vereinsvorsitz zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Zu diesem Team stieß 1994 noch Renate Geißler, die das Amt der 1. Kassiererin übernahm.

Ziele des neuen Vorstandes waren, den Sportbetrieb zu intensivieren und auch die Information über das Vereinsleben auszubauen. Dazu wurde 1990 erstmals eine Vereinszeitschrift  herausgegeben, die in einer Auflage von 1000 und später von 4000 Exemplaren an alle Sindlinger Haushalte verteilt wurde. Ein Namenswettbewerb in der 1. Ausgabe führte schließlich zur Bezeichnung „Pepperoni“. Diese Informationszeitschrift erscheint inzwischen in einem Umfang von 32 Druckseiten im 10. Jahrgang, üblicherweise zweimal jährlich. Die „Pepperoni“ hat sich als gut aufbereitetes Medium zur Präsentation des Vereins bewährt.

1991 und 1992 wurde jeweils ein Frühlingsfest im Gemeindezentrum St. Dionysius mit einem abwechslungsreichen Programm unter starker Beteiligung der Abteilungen und bei großer Besucherresonanz veranstaltet, gefolgt von einem Sommerfest im Jahre 1993 im Turnerheim. Ab 1994 firmierten vergleichbare Veranstaltungen unter der Bezeichnung „Turnerheimfest“.
 

In den 80iger und 90iger Jahren wurden neben Karl Faulstich weitere 4 Vereinsmitglieder für ihre besonderen Verdienste für den Turnverein Sindlingen mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen ausgezeichnet:
Mädi Schmidt (1987)
Günther Stieglitz (1992)
Alfons Schmidt (1992)
Paul Jung (1993)

Der Turnverein, die Stadt und das Geld – eine leidliche Geschichte

Die 90iger Jahre waren gekennzeichnet durch starke Belastungen der Vereine durch die Stadt Frankfurt. Zunächst wurden 1993  die Sportförderungsmittel gesenkt und die Richtlinien für die Sportförderung mit dem Ziel geändert, dass eine Beteiligung der Vereine an der Unterhaltung und Pflege von Anlagen und an den Mietaufwendungen für überlassene Einrichtungen eingeführt wurde. Der Magistrat der Stadt Frankfurt hatte am 16.12.1993 mit unmittelbarer Wirkung zum 1.1.1994 beschlossen, die Vereine mit Mietkosten von 30 DM pro einzelner Trainingseinheit (=1,5 Stunden in Sporthallen, 2 Stunden in Turnhallen) in städtischen Sport- und Turnhallen zu belasten. Für den Turnverein Sindlingen bedeutete dies für die Nutzung von 7 Hallen eine schlagartige Kostenbelastung von zusätzlich rund 35.000 DM pro Jahr. Diese Kostenlawine war zu diesem Zeitpunkt vom Betrag her höher als das jährliche Beitragsaufkommen. Die Konsequenz war, dass die Mitgliedsbeiträge bei den Aktiven verdoppelt werden mussten, um die Kostenerhöhung einigermaßen abfangen zu können. Als Folge dieser Erhöhung kündigten rund 10 % der Mitglieder ihre Vereinszugehörigkeit auf. (Dabei ist zu erinnern, dass die Stadt früher die Turnhallenbenutzungsgebühren fast vollständig übernommen hatte!)
Doch der nächste Anschlag der Stadt Frankfurt auf die Sportvereine ließ nicht lange auf sich warten. 1994 traf trotz der von Sportdezernentin Schenk versprochenen Planungssicherheit für die Vereine ein Schreiben vom Sport- und Badeamt ein, in dem eine Änderung der Trainingseinteilung in Schulturnhallen angekündigt wurde. Ein Trainingsabend sollte von bisher 2 Trainingseinheiten (2x2 Stunden) in zukünftig 3 Einheiten (3x1,5 Stunden) aufgeteilt werden. Das bedeutete im Klartext, ein Trainingsabend kostete damit anstelle von bisher 60 DM nun 90 DM. Mit diesem „trickreichen Beschluss“ sollten die Vereine weiter und ohne Vorwarnung zur Kasse gebeten werden. Der TV Sindlingen setzte sich zusammen mit vielen anderen Vereinen vehement dagegen zur Wehr, dieser Widerstand hatte jedoch nur kurzfristigen Erfolg. Mit Verzögerung wurde die Umsetzung dann doch vollzogen. Das Ergebnis war, dass die Vereine gezwungen waren, ihr sportliches Angebot aus Kostengründen noch weiter zu reduzieren. Darüberhinaus wurden Zuschüsse an die Sportvereine weiter deutlich gekürzt. Die Sonntagsreden über eine „sportfreundliche Stadt Frankfurt“ waren nur noch Makulatur. Diese Situation war und ist für  den TVS besonders nachteilig, weil die Vereine im angrenzenden Main-Taunus-Kreis bis heute keine derartigen Belastungen erfahren mussten.
Doch den Frankfurter Sportvereinen blieben weitere Belastungen nicht erspart. Obwohl sie kräftig für die Nutzung der städtischen Sportstätten zur Kasse gebeten wurden, war nicht einmal mehr die geregelte Durchführung von Verbandsspielen in Frankfurt möglich. So weigerten sich die Hausmeister von Schulturnhallen nach Kürzung ihrer Vergütungen durch die Stadt Frankfurt, ab dem Jahre 1996 den Vereinen an Wochenenden die Nutzung der Hallen zu ermöglichen. Das bedeutete, dass zahlreiche Heimspiele von Frankfurter Vereinen nicht mehr in Frankfurt ausgetragen werden konnten. So war es z.B. nur dank persönlicher Kontakte unseren Volleyballern möglich, ihre Heimbegegnungen zu einem verschobenen Zeitpunkt überhaupt auszutragen, und zwar in Hallen in Groß-Gerau und Schwalbach. Wohl kein Ruhmesblatt für die Frankfurter Sportförderung! In den folgenden Jahren mussten die Heimspiele unserer hochklassig spielenden Volleyball-Damen im Gutleutviertel oder in Fechenheim ausgetragen werden. Die Handballer „profitierten“ ebenfalls von der „vorbildlichen“ Sportförderung der Stadt Frankfurt. Sie durften einen Großteil ihrer Heimspiele in der Stadionhalle in Niederrad, in Sachsenhausen oder Griesheim austragen, weil man aus nicht nachvollziehbaren Gründen die vielfach freistehenden Saalbau-Hallen im Frankfurter Westen nicht belegen durfte. Dies bedeutete insbesondere für unsere Schüler- und Jugendmannschaften eine erhebliche zusätzliche Belastung. Insgesamt gehörte schon viel Durchhaltevermögen dazu, den Dauerfrust zu überstehen.

Sindlingen und die Sporthalle

Das letzte Vierteljahrhundert wurde in erheblichem Maße von der Diskussion über den Bau einer Sporthalle in Sindlingen geprägt. Die Situation an überdachten Sportstätten im Frankfurter Westen war insgesamt schlecht, insbesondere jedoch in Sindlingen. Das zeigte sich darin, dass der Turnverein Sindlingen seine Trainingsaktivitäten in den beiden kleinen Sindlinger Turnhallen und in 5 weiteren Hallen in Höchst, Unterliederbach, Nied und Zeilsheim durchführen musste. An eine Weiterentwicklung und Ausweitung des sportlichen Angebots war überhaupt nicht zu denken. Schon Anfang der siebziger Jahre wurde den Sindlingern eine Sporthalle versprochen. Als dann die Grundschule Nord (heute „Ludwig-Weber-Schule“) geplant wurde, waren sogar auf dem Bauplan die Errichtung einer kleinen, mittleren und großen Sporthalle mit internationalen Maßen vorgesehen. Die kleine Halle wurde gebaut, dann stellte man „überrascht“ fest, dass man nicht genügend Kinder für die geplante (Sekundar-)Schule hatte. 1989 schien dann endlich das Ziel erreicht zu sein: Vor der Kommunalwahl wurden den Sindlinger Vereinen von dem damaligen Oberbürgermeister Brück sogar Pläne und Modelle der geplanten Sporthalle am Sindlinger Kreisel vorgestellt. Die Realisierung dieses Projektes wurde als problemlos geschildert und der Baubeginn für Sommer 1990 angekündigt. Auch vom damaligen Oberbürgermeisterkandidaten Hauff wurde öffentlich ein deutliches Bekenntnis zur Sindlinger Sporthalle abgegeben. Dem TV Sindlingen liegt sogar ein persönlich an den Verein gerichtetes Schreiben von Volker Hauff mit der definitiven Zusage für den unmittelbaren Bau der Sporthalle vor. Nach dem politischen Wechsel in Frankfurt wurde mehrfach die unmittelbare Umsetzung der Hallenpläne angekündigt und Fortschritte herausgestellt. Dann wurde sogar mitgeteilt, dass die Sporthalle vom Magistrat genehmigt sei, die Mittel im Haushalt 1991 eingeplant seien und dementsprechend in diesem Jahr mit dem ersten Spatenstich  zu rechnen sei. Ungläubiges Kopfschütteln rief dann die Mitteilung des Magistrates hervor, dass das Sportgelände zu den schützenswerten „Mainauen“ gehöre und damit nicht bebaut werden könne. Die Herausnahme des Sindlinger Sportplatzes aus dem Areal der Mainauen wurde dann wohl auch nur halbherzig betrieben, nachdem die Realisierung einer Sporthalle durch die Stadt Frankfurt aus finanziellen Gründen immer unwahrscheinlicher wurde.

Dann tat sich doch noch überraschend eine Chance auf, in Sindlingen zu einer Sporthalle zu gelangen. 1994 wurde in einer Podiumsdiskussion im Bürgerhaus Sindlingen über den Stand der Planungen für den Bau der Internationalen Schule Frankfurt-Rhein-Main (ISF) in Sindlingen auf dem Gelände westlich der Ludwig-Weber-Schule informiert. Die Schule selbst nahm im September 1995 den Schulbetrieb zunächst noch in der Innenstadt auf, um dann nach Abschluss des Schulbaus nach Sindlingen umzusiedeln. Sehr hilfreich war, dass der Vorstand über die Geschäftsführung der ISF Einfluss auf die Hallenmarkierungen nehmen konnten, um die Halle auch für  sportlichen Zwecke des Turnvereins vollwertig nutzen zu können. Im Oktober 1998 wurde dann der Schulbetrieb in Sindlingen aufgenommen, die Inbetriebnahme der Sporthalle und der Schwimmhalle erfolgte im Januar 1999, die Fertigstellung des Fußballfeldes und der Leichtathletikanlagen soll  im Laufe des Jahres 2000 abgeschlossen werden. Erfreulich ist, dass die ISF den Vereinen des Stadtteils die sportlichen Anlagen nach Schulschluss und an Wochenenden zur Verfügung stellt. In dem im August 1997 geschlossenen Erbbauvertrag zwischen der Stadt Frankfurt und der ROSEA Grundstücks-Vermietungsgesellschaft ist folgende Vereinbarung getroffen: „Zwischen Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigtem besteht Einigkeit darüber, dass die Sportanlagen innen und außen sowie die Aula von Vereinen, vorrangig von solchen aus dem Stadtteil Sindlingen, genutzt werden können.“ Die Sporthalle wird seit Februar 1999 von den Abteilungen Handball, Volleyball und Tischtennis sowohl für Trainingszwecke als auch für den Spielbetrieb genutzt. Das bedeutet für den Verein eine wesentliche Verbesserung der sportlichen Rahmenbedingungen, auch wenn es in der Anfangsphase einige Probleme gab und auch heute noch gibt. Der fehlende Übungsraum war zur Zeit des 100jährigen Jubiläums das Hauptproblem des Vereins, dieses Problem ist nun nach weiteren 25 Jahren endlich beseitigt.

Der TV Sindlingen hat sein sportliches Angebot inzwischen weiter ausgeweitet. Am 19.11.1997 wurde im Turnerheim in einer Gründungsversammlung eine Judoabteilung aus der Taufe gehoben. Die Abteilungsleitung wurde vom Trainer Roland Wirth übernommen. Ausgangspunkt für diese Gründung war, dass die Judoabteilung des Polizeisportvereins Grün-Weiß-Frankfurt, die eine Sektion in Bockenheim und in Sindlingen unterhielt, sich vom Hauptverein getrennt hatte. Der Turnverein Sindlingen erklärte sich sofort bereit, interessierten Judokas eine Heimstätte zu bieten. Vom Vorstand wurden die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Etablierung der neuen Abteilung geschaffen, u.a. durch den Neukauf von Judomatten und Anmietung der Turnhalle. Die Abteilung, die bisher ausschließlich Schülerinnen und Schüler betreut, hat eine sehr positive  Entwicklung sowohl in Bezug auf die Mitgliederzahl als auch bei den errungenen Erfolgen genommen.

Der Turnverein kann im Jubiläumsjahr auf eine insgesamt erfreuliche Weiterentwicklung zurückblicken. Hatte der TVS beim 100jährigen Jubiläum 450 Mitglieder, so ist diese Zahl inzwischen auf rund 730 gewachsen, fast die Hälfte davon Schüler und Jugendliche. Gerade dieses jugendliche Potenzial lässt die Vereinsführung hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.
 

Dieter Frank